„These Reports were Made for AI-Readers“
22. Dez 2020 | Blog
VON Joachim Waltl
John Naughton von der britischen Tageszeitung „The Guardian“ hat eine empirisch fundierte Veröffentlichung des amerikanschen National Bureau for Econnomic Research (NBER) für seine Leser analysiert und das Thema am 5. Dezember veröffentlicht.
Die Veröffentlichung How to Talk When a Machine is Listening: Corporate Disclosure in the Age of AI des NBER zeigt eine Erhöhung der Downloadzahlen der Jahres- und Quartalsberichte in den USA, der sogenannten 10-K und 10-Q Reports, von 360 tausend Downloads im Jahr 2003 auf 165 Millionen im Jahr 2016. Dabei sollen 78 % aller Downloads im Jahr 2016 bereits per automatisierter Computerabfrage im Rahmen der digitalisierten Finanzanalyse durchgeführt worden sein. Im Gebiet der künstlichen Intelligenz wird vehement daran geforscht und gearbeitet, wie gut Computer in der Lage sind, aus einer Flut von zugängigen Daten wichtige Informationen und Entwicklungen zu erkennen. Kaum jemand liest und analysiert mehr jeweils hunderte Seiten von unzähligen Jahresberichten internationaler Aktiengesellschaften. Diese Arbeit wurde zum Großteil von Computern übernommen. Mittlerweile hängt in der Veranlagungsbranche viel von der Interpretationsqualität Computer generierter Informationen ab. Viele Investmententscheidungen, wie bei Algo-Trades, bei computerunterstützter Anlageberatungen im Internet, Robo-Advisor, oder in der quantitativen Aktienanalyse, beruhen auf diese Informationen. Die künstliche Intelligenz wird mitunter bei Anlagestrategien von Ansparplänen und Pensionsplänen angewandt.
Der Untersuchungsgegenstand der NBER zielte darauf ab, das Verhalten der Aktiengesellschaften auf die steigende computergenerierte Download-Nachfrage ihrer Jahresberichte zu ergründen. Dabei stellten die Analysten des US Statistikbüros fest, dass sich mit diesen automatisierten Downloads von Geschäftsberichten auch die Rhetorik der Aktiengesellschaften von 2003 bis 2016 maschinenfreundlicher entwickelte. Mittlerweile wird der Schreibstil der Firmen von den Methodiken der künstlichen Intelligenz sogar bestimmt, wie beispielsweise von der sogenannten Sentiment (Text-) Analyse. Bei dieser Methode werden allen wesentlichen Wörtern eines Geschäftsberichtes bestimmte Eigenschaften, wie positiv, negativ, unsicher oder strittig, zugeordnet und anhand der Häufigkeit der Eigenschaften wird ein Stimmungsbild relativ zu den Vorjahresberichten beziehungsweise im Branchenvergleich erstellt. Federführend in der Finanzindustrie bei der Sentiment Bestimmung von Begriffen und Wörtern ist das Autorenteam Loughran-McDonald von der University of Notre Dame in South Bend im US Bundesstaat Indiana. So bilden zum Beispiel die Wörter: growth, improved, impressed, innovated, outperform, profitable, strength oder strong und die dazugehörenden Wortfamilien ein positives Sentiment. Ein negatives Sentiment haben beispielsweise die Wörter und deren Wortfamilien: abrupt, accidental, challenge oder complaint. Bei der Sentiment Analyse wird der Geschäftsbericht der Aktiengesellschaft in einzelne Wörter bzw. Funktionsverbgefüge, sogenannte Token, zerlegt, ihre Eigenschaft bestimmt und die Häufigkeiten der Eigenschaften gezählt. So wird ein allgemeines wirtschaftliches Stimmungsbild eines Unternehmens generiert.
Die Geschäftsberichte werden damit nicht mehr für Leser geschrieben, sondern für Maschinen. Die Aktiengesellschaften haben die Intention, dass die Algorithmen genügend positive Argumente ihrer Firmen finden, um eine Aktie kaufbar zu machen, selbst wenn die Finanzzahlen eigentlich eine andere Sprache sprechen. Sie vermeiden Wörter in ihren Berichten mit einem negativen Sentiment. Dies gilt nicht nur für Berichte. Auch bei Ansprachen bei Jahresversammlungen und Finanzpräsentationen wird das Wording der Manager unter Berücksichtigung künstlicher Intelligenz gewählt. Entsprechende Softwarelösungen sollen Sprachmuster und Emotionen bei mündlicher Verkündung von Finanzdaten das Sentiment identifizieren.
Seit jeher verwendet die Wall Street die gewünschte Rhetorik ihrer Investoren. Ende der Neunziger Jahre berichteten Aktiengesellschaften noch über das Wachstum ihrer Subscriber-Basis beziehungsweise über die Anzahl der Aufrufe ihrer Internetseiten. Der wirtschaftliche Misserfolg wurde dabei bis zum Platzen der Technologieblase gerne ausgeblendet. Nach der Technologieblase legten Investoren besonders auf die Qualität der Bilanzen Wert und sie flüchteten oft in Investmentprodukten mit vermeintlich guten Ratings. Es zeigte sich jedoch, dass Ratings und ihre Ratingagenturen auch nicht immer verlässliche Indikatoren guter Bilanzen sind. Der neue Investor heißt „Künstliche Intelligenz“ und die Wall Street folgt ihm wieder mit der notwendigen Rhetorik.
Naughton, J. (2020, Dez. 5): Companies are now writing reports tailored fo AI readers – and it should worry us. Online unter: https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/dec/05/companies-are-now-writing-reports-tailored-for-ai-readers-and-it-should-worry-us (zuletzt abgerufen am 20. Dez. 2020)
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