Europäische Fiskalunion - für und wider?
25. Jun 2012 | Blog
VON Josef Obergantschnig
Die Europäische Union ist ein Wirtschaftsraum unterschiedlicher Geschwindigkeiten. Das ist kein Geheimnis und wurde uns in den vergangenen Monaten deutlich vor Augen geführt. In der öffentlichen Diskussion geht es in erster Linie darum, wie man die Ungleichgewichte möglichst rasch ausgleicht. Das ist gut und definitiv von Nöten, daran besteht kein Zweifel. Wenig bis gar nicht beachtet wird allerdings, wie sich die teilnehmenden Euro-Länder zu möglichst günstigen Konditionen refinanzieren können. Dies ist insofern beachtlich, da in den nächsten fünfeinhalb Jahren ein Refinanzierungsbedarf von rund EUR 4,5 Billionen besteht - das ist noch eine konservative Schätzung, da lediglich Zinsen und Tilgungen eingerechnet wurden, ohne die Neuverschuldung in den einzelnen Ländern zu berücksichtigen.
Abbildung 1: Refinanzierungsbedarf in Relation zum BIP
Quelle: Bloomberg, eigene Berechnungen (1.7.2012 - 31.12.2017)
Wie in Abbildung 1 ersichtlich, haben Italien, Spanien und Zypern in den nächsten Quartalen einen erhöhten Finanzierungsbedarf. Dies erhöht deren Anfälligkeit auf Zinsspekulationen, da im Falle eines deutlichen Zinsanstiegs, wie er beispielsweise gegenwärtig in Spanien zu beobachten ist, die Belastung für den betreffenden Staatshaushalt massiv ansteigt. Grund genug sich darüber Gedanken zu machen, wie dieses Loch möglichst günstig zu schließen ist.
Aus diesem Grund haben wir eine Analyse durchgeführt, in der wir den ökonomischen Wert zweier Varianten gegenüberstellen. Im ersten Fall müssen die Länder die Last alleine tragen - das bedeutet, dass der gesamte Refinanzierungsbedarf bis 2017 analog der gegenwärtigen Laufzeit der Schulden zum gegenwärtigen Zinsniveau des Nationalstaates stemmen wird. Im zweiten Fall würde der gleiche Refinanzierungsbedarf durch einen Haftungsverbund dargestellt. Als Referenzzins haben wir diesbezüglich den Zinssatz herangezogen, den der EFSF für seine Emissionen bezahlen muss.
Wenig überraschend gibt es Länder, die im Falle einer Refinanzierung über ein EU-Finanzierungsvehikel (z.B. Eurobonds) sich mit einer höheren Belastung konfrontiert sehen würden. Dies wären gegenwärtig Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Finnland und Luxemburg. In Summe würde die Belastung (Barwert) der genannten Länder rund EUR 105 Milliarden betragen - demgegenüber steht ein ökonomischer Gewinn von EUR 789 Milliarden (bis zum Auslauf des Vorteils 2024). Besonders augenscheinlich wird der ökonomische Vorteil des Konzeptes, wenn man diesen in Relation zum BIP eines Landes darstellt (Vgl. Abbildung 2).
Abbildung 2: Ökonomischer Gewinn/Verlust in Relation zum BIP
Quelle: Bloomberg, Eigene Berechnungen
Wie in Abbildung 2 ersichtlich, wirken die Entlastungen in Relation zum BIP für die einzelnen Nationalstaaten wesentlich mehr als die Belastungen. Für Deutschland als größten Nettozahler würde dies eine Mehrbelastung in Relation zum BIP von 2,92% bedeuten - allerdings verteilt bis zum Jahr 2024. Spanien und Italien - gegenwärtig die Staaten, die sukzessive von den Finanzakteuren in die Enge getrieben werden - würden von einer europäischen Lösung deutlich profitieren. Für die betreffenden Staaten würde der Barwertvorteil ca. 18% des BIP’s betragen.
Es wäre eine Überlegung wert, den „Geberstaaten“ diese Finanzierungsvariante durch eine Art „Haftungsprovision“ schmackhaft zu machen. In Summe kommt auf die fünf „Geber-Staaten“ eine Mehrbelastung von rund EUR 105 Mrd. zu - selbst wann man diesen Ländern aufgrund ihrer Solidarität ihre Mehrbelastung ersetzt und zudem noch eine Haftungsprovision der gleichen Höhe gewährt, bleiben immer noch ca. EUR 579 Mrd. für jene Staaten über, die von dieser Variante profitieren.
Fazit:
Europa ist in den Köpfen noch nicht angekommen. Viel zu sehr werden nach wie vor nationale Interessen in den Vordergrund gestellt. Dies wird beispielsweise daran ersichtlich, dass einzelne Mitgliedsstaaten der Eurozone nicht bereit sind, einem Haftungsverbund beizutreten und damit einen ökonomischen Gewinn für die gesamte Eurozone zu erzielen. Zudem wäre dieser Markt aufgrund seiner Größe und Dominanz nicht so leicht an den Finanzmärkten angreifbar wie ein einzelner Nationalstaat. Gerade in der jüngsten Vergangenheit wurde uns deutlich vor Augen geführt, wie die Finanzmärkte einzelne Staaten buchstäblich in die Enge treiben können. Irland, Portugal, Spanien oder Griechenland haben bereits diese Erfahrung gemacht - Zypern und Italien stehen de facto in der „Warteschleife“. Es ist endlich an der Zeit, die Zügel in die Hand zu nehmen und rein rationale Maßnahmen zur Krisenbewältigung einzuleiten und nicht ständig populistisch zu handeln. Es wäre schade, wenn Europa aufgrund von populistischen Entscheidungen der handelnden Politiker scheitern würde.
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