Unsicherheitsvermeidung - zwei Gedankenexperimente

26. Jan 2011 | Blog

VON Günther Moosbauer

In einer Urne befinden sich blaue und rote Kugeln. Sie ziehen eine Kugel und müssen vorher dessen Farbe erraten. Nun wird Ihnen die Wahl gegeben, dieses Spiel mit einer von zwei Urnen durchzuführen. In der ersten Urne befinden sich 5 blaue und 5 rote Kugeln, von der zweiten Urne wissen Sie bloß, dass sie insgesamt 10 Kugeln beinhaltet, ohne weitere Informationen über die Verteilung der roten und blauen Kugeln - welche Urne wählen Sie?


Von der ersten Urne haben Sie mehr Information, Sie kennen die Verteilung. Mehr Wissen sollte einen Vorteil bringen und so haben wohl auch Sie sich für die erste Urne entschieden. Ellsberg, auf den dieses Experiment zurückgeht (neben seinen volksökonomischen Arbeiten ist er auch als jener Mann bekannt geworden, der 40 Jahre vor WikiLeaks die Veröffentlichung der geheimen Pentagon-Papiere zum Vietnamkrieg bewirkte), unterscheidet hier zwischen Risiko und Unsicherheit. Unsicherheit liegt vor, wenn auch die Verteilung unbekannt ist. Im vorliegenden Fall hätten Sie sich aber gar nicht falsch entscheiden können - bei beiden Urnen werden Sie mit denselben Wahrscheinlichkeiten die richtige Farbe erraten.

 

Unsere Vorfahren standen vermutlich selten vor der Unsicherheit die Anzahl der Raubtiere in einem Dickicht zu kennen und bloß deren Verteilung war ihnen unbekannt. Das Problem der Übertragbarkeit in die Praxis bei allen mir bekannten Gedankenexperimenten liegt in ihren künstlichen Annahmen. Hier betrifft es die genaue Wahrscheinlichkeitsabschätzung bei gleichzeitig unbekannter Verteilung. Das Beispiel ist aber aufschlussreich, welchen Stellenwert Menschen der Unsicherheitsvermeidung zumessen. Das Argument der Unsicherheitsvermeidung ist bei Entscheidungen mit schwer abschätzbaren Folgen vernünftigerweise von tragendem Interesse. Die Presse als auch die Politik bedienen sich diesem Interesse und sind stark geprägt von Bedrohungsszenarien, wenn auch manchmal nur um eine größere Aufmerksamkeit zu erzielen.

 

Betrachten wir nun noch ein Gedankenexperiment:


Sie müssen aus zwei Urnen, die beide eine Mischung aus roten und blauen Kugeln enthalten, jeweils eine Kugel ziehen und gewinnen dann, wenn die Farben beider gezogenen Kugeln übereinstimmen.

Aus drei Spielanordnungen müssen Sie sich für eine entscheiden:

• In der ersten Spielanordnung beinhalten beide Urnen zu 50% rote und blaue Kugeln.

• In der zweiten Spielanordnung wissen Sie nur, dass in der ersten Urne die Verteilung 50% rote und 50% blaue Kugeln umfasst, jedoch nicht die Verteilung der zweiten Urne.

• In der dritten Spielanordnung wissen Sie, dass die roten und blauen Kugeln in beiden Urnen gleichermaßen verteilt sind, kennen die Verteilung aber nicht. Für welche Spielanordnung entscheiden Sie sich?

 

Die Mehrzahl der Personen entscheiden sich für die erste Spielanordnung und die wenigsten für die dritte. Nun wäre es aber klüger gewesen, sich für die dritte Spielanordnung zu entscheiden, da die Chance auf ein farblich passendes Paar im letzten Fall am höchsten ist (ein sogenanntes ‚Dutch book’ Beispiel nach Khanemann und Tversky). Hier verleitet die Unsicherheitsaversion dazu, die weniger gewinnbringende Spielanordnung zu wählen.

 

MacCrimmon und Larsson kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass ausgeprägt unsicherheitsaverse Personen kaum auf Argumente eingehen. Man kann sich vorstellen, dass schon die Schwierigkeit zu erfassen, worin genau sich die Unsicherheit befindet, eine emotionale Aversionsreaktion auslösen kann, die eine rationale Herangehensweise blockiert. Dass man dabei die verlustreichere Variante wählen kann, wie in diesem Beispiel, wird sich in der Praxis in dieser Einfachheit nicht so häufig finden lassen. Eine gewichtige Folgerung aus dem Ergebnis von MacCrimmon und Larsson könnte aber sein, dass demagogische Bedrohungsszenarien, wenn sie sich verfestigt haben, resistent gegenüber Aufklärung sind.

 

In der Realität sind es oft konkurrierende Unsicherheiten, zwischen denen ein Ausgleich gefunden werden muss, um ein verlustarmes Ergebnis zu erzielen. Denken wir an die Problematik der Überschuldung vieler Staatshaushalte bzw. das Suchen nach einem Ausgleich zwischen einer bedrohlichen Schuldenlast und einer bedrohlichen Kreditklemme bzw. Wirtschaftsabschwung. Stellungnahmen zu dieser Aufgabe sind für den einzelnen Wähler schwer rational beurteilbar.


Ein Beispiel, das stärker den Risikoaspekt betrifft, bezieht sich auf Anleihenveranlagung. Hier könnte man vermuten, dass der Markt auf das leichter zugängliche, sichtbarere und somit in der Wirkung bedrohlicher zu scheinende Marktrisiko stärker reagiert als auf das Reinvestitionsrisiko.

 

Für Versicherungen ist der Unsicherheitsaspekt insbesondere bei sehr selten eintretenden Ereignissen virulent. Verlässliche Wahrscheinlichkeiten können nicht gewonnen werden, zusätzlich kann auch der Versicherungsnehmer wesentliche Informationen nicht angegeben haben. Die resultierenden Unsicherheitsprämien führen dazu, dass besonders existenzbedrohende Risiken kaum oder nur verbunden mit hohen Kosten versichert werden können.

 

Die Behandlung von Unsicherheit verlangt auf jeden Fall eine genaue Analyse und Rationalisierung der Einflussfaktoren. Da Wahrscheinlichkeiten und Verteilungen im Finanzbereich keine stabilen Größen sind, ist mit Risiko auch stets Unsicherheit verbunden. Ein Umstand, dem auch die ausgefeiltesten Risikomaße nicht entgehen können sondern nur bestmöglich und rational begegnen können.

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