Dem Glücksspiel sei Dank!
04. Dez 2015 | Blog
VON Josef Obergantschnig
Im 17. Jahrhundert war das Glücksspiel neben dem Duellieren ein beliebter Zeitvertreib französischer Adeliger. Oftmals konnten beide „Beschäftigungen“ im direkten Zusammenhang gesehen werden. 1655 wandte sich ein Glücksspieler mit einer kniffligen Frage an seinen Freund, dem Mathematiker Blaise Pascal. Zwei Spieler haben sich darauf geeinigt, dass derjenige, der als erster vier Runden eines Glücksspiels gewinnt, 60.000 Livre, ein für damalige Verhältnisse beachtlich hoher Einsatz, gewinnt. Insofern nichts Ungewöhnliches. Spieler A hatte einen Lauf und gewann dreimal hintereinander. Die folgenden beiden Partien gewann Spieler B. Beim Stand von 3:2 musste das Spiel abgebrochen werden, da der König einen der Spieler augenblicklich zu sich rief. Und damit begann das Dilemma. Wie sollte man den Einsatz von 60.000 Livres gerecht aufteilen?
Gegen Ende des 16. Jahrhunderts – also rund sechs Jahrzehnte davor – haben sich in Italien bereits ähnliche „Probleme“ aufgetan. Der Erfinder der doppelten Buchhaltung Luca Pacioli hat sich bereits eingehend mit der Problemstellung beschäftigt, allerdings ohne zu einer entsprechenden Lösung zu kommen.
Welche Möglichkeiten bestehen nun, die 60.000 Livres aufzuteilen?
Eine Teilung im Verhältnis 50:50 ist sicherlich nicht fair, da Spieler A dem Ziel näher als Spieler B ist und damit benachteiligt wäre. Insofern muss er einen größeren Teil des Kuchens bekommen.
Man könnte also beispielsweise hergehen und die Anzahl der Siege in Relation setzen. Spieler A hat 3 Siege, Spieler B hat 2 Siege. Insofern könnte man den Betrag folgendermaßen aufteilen:
Spieler A: 3/5 – das sind 60% bzw. 36.000 Livre
Spieler B: 2/5 – das sind 40% bzw. 24.000 Livre
Diese Variante berücksichtigt allerdings ausschließlich den Verlauf des bisherigen Spiels. Spieler A hat drei von fünf Spielen gewonnen, also stehen ihm 60% der Gesamtsumme zu. Das Problem dabei ist allerdings, dass hierbei nur die „Vergangenheit“ berücksichtigt wird. Ein Blick in die „Zukunft“, also nichts anderes als die Berücksichtigung aller möglichen Spielausgänge, bleibt dabei unbeachtet.
Pascal stand vor dem Problem und war mit der angestrebten 60/40-Teilung intellektuell nicht zufrieden. Im Rahmen eines Briefwechsels mit Piere de Fermat haben die beiden sukzessiv folgenden Lösungsansatz erarbeitet.
Wenn es ein „faires“ Glückspiel ist und niemand falschspielt, hat jeder Spieler die gleich hohe Wahrscheinlichkeit, die nächste Runde zu gewinnen. Das Spiel endet spätestens nach 7 Partien mit 4:3 für einen der beiden Spieler. Nachdem bereits 5 Partien gespielt sind, hat Spieler A zwei Möglichkeiten, den ersehnten Gesamtsieg zu fixieren. Spieler B muss im Gegensatz dazu allerdings beide verbleibenden Spiele gewinnen, um am Ende die 60.000 Livres einstecken zu können. Insofern wäre es auch möglich, das Geld im Verhältnis 2:1 zugunsten des Spielers A aufzuteilen. In diesem Fall würde man zu folgendem Aufteilungsschlüssel kommen:
Spieler A: 2/3 – das sind 67% bzw. 40.000 Livre
Spieler B: 1/3 – das sind 33% bzw. 20.000 Livre
Aber ist das fair?
Pascal und Fermat haben das Problem von unterschiedlichen Seiten aus durchleuchtet und schlussendlich in Form eines Baumdiagramms dargestellt. In unserem Beispiel gibt es zwei mögliche Varianten, die jeweils isoliert betrachtet werden und zu einem logischen Gesamtergebnis hochgerechnet werden können.
Variante „1. Spiel“:
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Spiel bereits nach einer Runde endet, beträgt 50%. Insofern schreiben wir Spieler A einmal 50% gut. Aber wie sind die verbleibenden 50% gerecht aufzuteilen?
Variante „2. Spiel“:
Sollte Spieler B das erste Spiel gewinnen (Wahrscheinlichkeit 50%), haben beide Spieler die gleich hohe Wahrscheinlichkeit, den Jackpot einzustreifen. Insofern kann man die verbleibenden 50% gerecht zu gleichen Teilen aufteilen.
Berücksichtigt man nun beide Bäume, ergibt sich folgender gerechter Verteilungsschlüssel:
Spieler A: 50% („1. Spiel“) + 25% („2. Spiel“) = 75 % bzw. 45.000 Livre
Spieler B: 0% („1. Spiel“) + 25% („2. Spiel“) = 25 % bzw. 15.000 Livre
Pascal und Fermat waren die ersten Mathematiker, die Entscheidungsbäume zur Berechnung der „fairen“ Aufteilung herangezogen haben. Das ist ein großer Beitrag, denn durch diese Darstellung kann man auch die Ausgangswahrscheinlichkeit berücksichtigen. Gerade in Bereichen des Sports oder dem Schachspiel hängt der Ausgang des Spiels auch von der Spielstärke der jeweiligen Spieler ab. Daher weicht die Eintrittswahrscheinlichkeit häufig von einer klassischen 50:50-Teilung ab. Es wäre beispielsweise vermessen, wenn der Ausgang eines Boxkampfs zwischen mir und einem der Klitschko-Brüder mit 50:50 angesetzt wird. Eine Veränderung auf 1:1.000.000.000 wäre also auch darstellbar und auch durchaus berechtigt. Die Darstellung der Entscheidungsbäume ermöglicht es, auch dieses Faktum in die Berechnung einfließen zu lassen.
Durch die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist es möglich, einen Blick in die Zukunft zu werfen. Zugegebenermaßen handelt es sich um einen sehr „getrübten“ Blick, aber immerhin. Profitieren kann man allerdings durch das sogenannte „Gesetz der großen Zahlen“. Wenn man beispielsweise das Würfelspiel heranzieht und nur sechsmal würfelt, würde ich nicht davon ausgehen, dass jede einzelne Zahl auch wirklich nur einmal vorkommt. Wenn man allerdings die Anzahl auf 18.000 erhöht, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Spieler rund 3.000 Sechser würfelt.
Der Blick auf das Einzelergebnis ist daher sehr „getrübt“, aber der Blick auf das Große und Ganze ist relativ klar. Und daraus kann man durchaus Gewinn ziehen!
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