Verschiebung der Kräfteverhältnisse – Eine Langzeitprognose
17. Feb 2017 | Blog
VON Alfred Kober
Während wir als Asset-Manager die Prognosefähigkeit der Kapitalmärkte zumindest über kurze Zeiträume als sehr beschränkt ansehen, möchte ich in diesem Blog einen kleinen Exkurs in ein Thema wagen, dass einen wesentlichen Einflussfaktor auf die Kapitalmärkte darstellt und einigermaßen gut vorhersehbar ist. Die Studie, auf die ich mich beziehe, beschäftigt sich mit der Kräfteverschiebung am Welt-BIP und versucht dabei eine Prognose bis ins Jahr 2050. 33 Jahre scheinen für den einen oder anderen unter uns zu weit entfernt zu sein, um sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen – allerdings sind die Veränderungen teils so massiv, dass Randerscheinungen schon in nicht allzu ferner Zukunft wohl jeder von uns, in welcher Weise auch immer, bemerken wird.
Der Inhalt dieses Blogs beruht auf eine erst kürzlich veröffentlichte Arbeit von PwC und beschäftigt sich mit der beeindruckenden Aufholjagd von weniger entwickelten Staaten. Wenngleich ich mich bei dieser Art von Studie eher zu den skeptischen Lesern zähle, finde ich die Analyse insofern realistisch, als dass sich die beschriebenen Trends weitestgehend mit den demographischen Entwicklungen der angeführten Länder decken. Zu erwähnen sei dabei die Voraussetzung einer wachstumsfreundlichen Politik sowie ein Ausbleiben von Zivilisationskatastrophen, die den Entwicklungspfad unterbrechen würden.
Das Research-Paper zeigt, dass sich Emerging Markets, wie auch bereits in den letzten Jahrzehnten, als der Konjunkturmotor der Weltwirtschaft erweisen werden. Bereits in rund 30 Jahren wird die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung, wohlgemerkt kaufkraftbereinigt (PPP), von weniger entwickelten Volkswirtschaften generiert werden – momentan liegt der Anteil noch bei ca. einem Drittel. Für mich ernüchternd, ist der prognostizierte Anteil der EU-27 Länder (inkl. UK wohlgemerkt!), der voraussichtlich unter den BIP-Anteil Indiens und unter 10% des Welt-BIPs fallen wird. Damit werden wir in den Bereich der Bedeutungslosigkeit abrutschen. Graphik 1 zeigt eine sehr grobe Aufteilung des globalen BIPs und veranschaulicht den aktuellen Beitrag der G7- bzw. der E7-Länder (Emerging 7: China, Indien, Indonesien, Brasilien, Russland, Mexiko und Türkei) am großen Kuchen der Weltkonjunktur.
Quelle: IMF for 2016 estimate, PwC projections for 2050
Dass diese Einschätzung durchaus realistisch ist, zeigt ein Blick in den Rückspiegel (Graphik 2). Bereits im Jahr 2040 wird die Wirtschaftsleistung der E7-Länder doppelt so hoch eingeschätzt, als die der G7. In Anbetracht der globalen Power, die aus den G7 hervorgeht, finde ich diese Verschiebung schon sehr bemerkenswert.
Quelle: IMF for 2016 estimate, PwC projections for 2050
Soweit so gut und die Darstellungen sehen durchaus plausibel und realistisch aus. Das Ergebnis einer Unterteilung in einzelne Volkswirtschaften löste in mir dann doch Unbehagen aus (weshalb auch immer – vielleicht ist es auch eine typische Reaktion auf Veränderung verbunden mit einem Hauch an Unsicherheit, Gewonnenes auch wieder zu verlieren).
War es vor einigen Jahren noch die USA, die von China als globale Nummer 1 abgelöst wurde, wird sich diese Reihenfolge der Top 3 in 15-20 Jahren ein wiederholtes Mal ändern. Dann wird Indien zur globalen Nummer 2 aufgestiegen sein und damit die USA auf Platz 3, (noch) vor Indonesien, verdrängt haben. Ein Anhalten der Wirtschaftsdynamik in Mexiko könnte dafür sorgen, dass die kaufkraftbereinigte konjunkturelle Leistung im Jahr 2050 größer sein wird als die der Summe aus Deutschland und UK. Graphik 3 stellt die Top-15 Platzierungen dar. Laut der Studie werden sich in rd. 30 Jahren unter den 7 größten Volkswirtschaften 6 Emerging-Market-Länder befinden.
Quelle: PwC, 2017, The Long View – How will the global economic order change by 2050
Ein wesentlicher Faktor, der diese Entwicklung maßgeblich beeinflusst, ist in der zugrundeliegenden demographischen Struktur zu finden. Während westliche Staaten unter einer Überalterung der Gesellschaft oder/und unter Bevölkerungsschwund leiden, entwickeln sich viele der Emerging-Market-Länder in die entgegengesetzte Richtung. Es ist selbsterklärend, dass das konjunkturelle Wachstum eines Landes mit steigender Bevölkerung höher sein wird als umgekehrt – Graphik 4 zeigt dazu einige eindrucksvolle Beispiele (Real-, Bevölkerungs- und Pro Kopf-Konjunkturwachstum).
Quelle: PwC analysis
Angesichts dieser Entwicklung bestätigt sich für mich das Sprichwort, dass die „einzige Konstante die Veränderung“ ist, ein weiteres Mal. Freilich, um das beschriebene Potential der Länder heben zu können, ist eine wirtschaftsfreundliche und stabile Politik Voraussetzung und genau darin sehe ich durchaus potentielle Störungen und ein großes Fragezeichen. Nichtsdestotrotz macht diese Analyse, die übrigens frei verfügbar ist, einmal mehr deutlich, wohin die Reise geht. Ob das beschriebene Ziel nun ein paar Jahre vorher oder später erreicht wird, ist angesichts der Relevanz bedeutungslos.
Zu denken gibt mir die aktuelle Tendenz eines ungeeinten Europas. Speziell vor dem Hintergrund eines sich massiv zurückbildenden Anteils am globalen Wirtschaftskuchen sehe ich unsere Möglichkeiten, wenn es um Mitsprache und Mitgestaltung geht, ohnedies als sehr begrenzt an. Kleinere Strukturen werden unsere Verhandlungsstärke und unser künftiges Potential an Mitgestaltung wohl kaum steigern.
Für Unternehmen mit internationaler Ausrichtung sowie für risikofreudigere Investoren mit sehr langfristigem Investitionshorizont dürften die beschriebenen Aspekte nicht unwesentlich für die künftige strategische Ausrichtung sein.
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