Ist dem Drachen das Feuerspeien vergangen?
14. Apr 2017 | Blog
VON Alfred Kober
Dass die nächsten Jahrzehnte von enormen Umwälzungen geprägt sein werden, habe ich in meinen Blogs schon mehrfach zum Ausdruck gebracht. Auch in diesem Monat möchte ich meine Zeilen einigen Aspekten eines Landes widmen, das in den letzten Jahrhunderten durch Höhen und Tiefen gegangen ist und nun wieder dynamisch aufholt – China. Das „Reich der Mitte“ überflügelt nun seit dem Beginn der wirtschaftlichen Reformen (1978) unter Deng Xiaoping den Rest der Welt, zumindest die industrialisierten Welt. Laut Weltbank stieg seither das reale BIP knapp um das 50fache und die Arbeitsproduktivität um den Faktor 10 – die Ausgangsbasis war dementsprechend niedrig. Das Land scheint wieder an seine historische Stärke anschließen zu können, was unter anderem dadurch zum Ausdruck kommt, dass kaum ein anderes Land momentan mehr Milliardäre hervorbringt. So hat sich die Anzahl dieser in den letzten 6 Jahren von 70 auf aktuell 316 (Quelle: Forbes) mehr als vervierfacht. Als schleppende Dynamik kann die Entwicklung wohl nicht bezeichnet werden, natürlich mit all ihren Schattenseiten – auch China hat mit enormen Herausforderungen zu kämpfen, deren Ausgang und Folgewirkungen noch ungewiss sind. Das riesige Land fügt sich in eine über 19 Länder eingrenzbare und relativ überschaubare Zone ein, in der erstaunliche 3,8 Mrd. Menschen leben und somit mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung beheimatet (Graphik 1).
Graphik 1
Quelle: www.visualcapitalist.com
Wie in vielen Industrienationen steht auch China vor einem demographischen Wandel, der vor allem durch die jahrzehntelange „Ein-Kind-Politik“ extrem verschärft wurde. Just in diesem Jahrzehnt kehrt sich das historisch hohe Wachstum der „arbeitenden Bevölkerung“ ins Negative und mündet in einer sukzessiven Schrumpfung des „produktiven“ Bevölkerungsanteils. Die folgende Darstellung (Graphik 2) veranschaulicht diesen Wandel recht deutlich.
Graphik 2
Quelle: www.visualcapitalist.com
Nachdem das Wachstum einer Volkswirtschaft über die Faktoren Arbeit, Kapital und Produktivität erklärt werden kann, wirkt die Verkleinerung des Arbeitspools zumindest nicht positiv. Über den Faktor des Kapitals und im Speziellen über die Verschuldung Chinas wurde in den letzten Jahren so einiges berichtet. So stieg parallel zur Staatsverschuldung auch die Verschuldung des privaten Sektors rapide an. Angesichts des erreichten Gesamtverschuldungsniveaus von rund 250% zur Wirtschaftsleistung kann der Impuls auf der Investitionsseite (Kapitalfaktor) wohl auch als bereits limitiert und ausgereizt angesehen werden. Der aus den beschriebenen Faktoren genährte Gegenwind wirkt definitiv bremsend auf die Volkswirtschaft und liefert eine mögliche Erklärung dafür, weshalb sich auch das „Reich der Mitte“ von den gewohnten knapp 2stelligen Wachstumszahlen verabschiedet hat. Bis auf weiteres werden auch Produktivitätsfortschritte nicht ausreichen, um an die Dynamik der letzten Jahrzehnte anschließen zu können. Mit geschätzten BIP-Wachstumsraten von ca. 6% (Quelle: IWF) setzt das Land trotz allem den Aufholprozess zu den westlichen Industrieländern weiter fort – daran wird sich auch im nächsten Jahren wenig ändern.
Einen interessanten Punkt möchte ich noch anfügen. Aufgrund sehr geringer Lohnkosten, einer günstig bewerteten Währung und einer exportfreundlichen Wirtschaftspolitik ist China in den letzten Jahrzehnten zu einem wahren Exportweltmeister angewachsen. Langsam entwickelt sich eine konsumfreudige Mittelschicht und das Land wird langsam aber doch weniger abhängig von Ausfuhren. Aufgrund des Exportüberschusses hat das Land Devisen in erheblichem Ausmaße angehäuft, die anfangs im Kapitalmarkt (beträchtlicher Anteil an Anleihen der USA) investiert wurden und nun sukzessive in Direktinvestitionen umgeleitet werden. China tritt nun nicht „nur“ als sogenannter „Portfolioinvestor“ auf, sondern immer öfter und medial nicht überhörbar, als Direktinvestor. Wie uns das Beispiel der deutschen Aixtron zeigt, sind diese Übernahmen oft sehr umstritten und werden politisch blockiert. Die letzte Illustration (Graphik 3) gibt einen anschaulichen Überblick über die ausländischen Direktinvestitionen (>100 Mio. US Dollar) des Landes in den letzten Jahren, gruppiert in unterschiedliche Segmente. Die Häufung von Käufen/Investitionen in rohstoff-/energiereiche Länder ist unübersehbar. Auch die „Rückführung“ der angehäuften hohen Summen an US-Dollar in Form von US-Direktinvestitionen ist deutlich zu erkennen und absolut nachvollziehbar – dies trifft politisch jedoch immer häufiger auf Widerstand (auch naheliegend).
Graphik 3
Quelle: www.visualcapitalist.com, The American Enterprise Institute, The Heritage Foundation
Für mich ist immer wieder interessant und vor allem erstaunlich, dass sich gerade Hauptprotagonisten des Kapitalismus und des Freihandels in Widersprüche verstricken und am heftigsten gegen diese chinesische Investitionspolitik stemmen. Angesichts der hohen Devisenreserven, des strukturellen Wandels der eigenen Wirtschaftsstruktur, der ultralockeren Notenbankpolitik von FED, EZB etc. und des Bedarfs an Zugriff zu Rohstoffen ist das Verhalten Chinas rational und durchaus nachvollziehbar. Auch das oft gezeigt Bild eines wirtschaftlich „hoffnungslos ausgereizten“ Chinas erscheint im relativen Vergleich zu vielen etablierten Industrienationen dann doch punktuell leicht überzeichnet. Fest steht, dass uns China mit samt dem Gigantismus auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zum Staunen bringen wird. (= Der Drache speit weiter!)
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