Gedanken zum Gemeinwohl - Ein Begriff, der wohl viel meint…

14. Sep 2017 | Blog

VON Christina Kirisits

…und in der derzeitigen Diskussion viel Potential für ideologische Grabenkämpfe bietet. Daher versuche ich mich diesem Thema vorerst über die Definition von Wikipedia zu nähern:


Gemeinwohl bezeichnet das Wohl (das gemeine Beste, den gemeinen Nutzen, die gemeine Wohlfahrt - „gemein“ hier im Sinne von „allgemein“, auch das englische „common“ drückt es gut aus) eines Gemeinwesens. Gemeinwohl wird verstanden als Gegenbegriff zu bloßen Einzel- oder Gruppeninteressen innerhalb einer Gemeinschaft, wobei er auf jede überindividuelle Gemeinschaft bezogen werden kann (Ehe, Familie, Verein, Religionsgemeinschaft, Region, Land, Volk, Völker einer Vertragsgemeinschaft, Weltgemeinschaft etc., auch: Welt, Natur, Universum).

 

Die wissenschaftliche Frage, ob ein „Gemeinwohl a priori“ zu finden sei oder ob das, was der Allgemeinheit nützt, als Ergebnis einer Bestimmungsleistung von Betroffenen oder deren Vertretern, die sich in Verhandlungen um einen Interessenausgleich bemühen (Gemeinwohl a posteriori), zu betrachten sei, wird schon seit Längerem zugunsten des letzteren Ansatzes beantwortet. So logisch und vernünftig das erscheint, sind Konflikte dadurch vorprogrammiert: Wer (Welche Gruppe/Gemeinschaft) definiert, was im konkreten Fall das Gemeinwohl umfasst? Bedeutet das (gemeine) Wohl der einen Gruppe notwendigerweise auch das Wohl der anderen Gruppe? Wie definiere ich Gemeinwohl, damit ich eine möglichst große Gruppe erfasse, was sind die kleinsten gemeinsamen Nenner?

 

Während in der Diskussion früher v.a. das Konzept politischer Gerechtigkeit und das Gemeinwohl des Staates im Vordergrund stand, wird in der neueren managementorientierten Gemeinwohl-Diskussion (im Sinne des Public Values) eine sozialwissenschaftlich inspirierte Lösung für den oben genannten Dissens angeboten:

 

Einerseits wird die konkrete Ausgestaltung dessen, was als Gemeinwohl gelten soll, als offen, kontextabhängig und nicht vorab bestimmbar angenommen. Andererseits wird versucht, die individuelle Ebene der Bedürfnisse mit der kollektiven Ebene des Gemeinwohls zu verbinden. Gemeinwohl bezieht sich hier auf jene Werte und Normen, die eine Gemeinschaft und Gesellschaft konstituieren. In dem sich der Einzelne mit seinem gesellschaftlichen Umfeld auseinandersetzt und dieses selbst aktiv mitgestaltet, trägt er als soziales Wesen zum allgemeinen UND seinem eigenen „Wohl“ bei. D.h. der eigene Beitrag zum Gemeinwohl lässt sich mit persönlicher Entfaltung vereinbaren und ist nicht notwendigerweise mit Einschränkung oder Verzicht verbunden bzw. wird zumindest nicht als solcher empfunden.

 

Das ist zwar durchaus ein sinnvoller Ansatz, mit dem sich gerade bei uns in Österreich und auch in Deutschland sicherlich viele Menschen identifizieren können, die sich Gedanken darüber machen, wie eine lebenswerte Zukunft, wenn schon nicht für alle, so für möglichst viele im persönlichen Einflussbereich aussehen kann und auch aktiv etwas dafür tun wollen.

 

Dem gegenüber stehen aber die zunehmende Erosion genau dieser Werte und Normen, über die bisher ein weitgehender Konsens bestanden hat und ein ausgeprägter Egoismus von Individuen und einzelnen (Klein-)Gruppen verbunden mit der entsprechenden Gleichgültigkeit gegenüber den Bedürfnissen der jeweils anderen. Diese Entwicklung hängt meiner Meinung nach in mancherlei Hinsicht mit den negativen Auswüchsen des Kapitalismus der letzten Jahrzehnte zusammen, der ein ständiges „Höher, Größer, Weiter, Besser, Mehr“ ohne Rücksicht auf Verluste (bzw. auf andere) propagiert (hat) und der jetzt vermehrt an seine Grenzen stößt, weil der zu verteilende Kuchen tendenziell nicht größer sondern kleiner wird, bedingt durch steigende Kosten aus den Folgen des Klimawandels, durch Erschöpfung natürlicher Ressourcen etc. Genau dieser Egoismus hat aber seinerseits zu einer zunehmenden Unsicherheit der allgemeinen und speziellen Zukunftsperspektiven beigetragen, was wiederum das Beibehalten der „Ich zuerst“ bzw. „Nach mir die Sintflut“-Haltung fördert und den Gemeinwohl-Gedanken weiterhin auf die eierlegende Wollmilchsau namens Wirtschaftswachstum reduziert.

 

Daher scheint es derzeit so schwierig zu sein, den Gemeinwohl-Gedanken im Sinne der eingangs angeführten Definition (wieder) im individuellen und unternehmerischen, aber auch staatlichen, Handeln zu verankern: Die Anreize bzw. der Leidensdruck sind noch nicht groß genug. Ein gutes Gewissen oder ein positives Image allein reichen nicht, was aber besonders aus Unternehmenssicht auch verständlich ist. Wobei es hier oft nur ein Frage des Planungshorizonts ist - gemeinwohlfördernde Maßnahmen entfalten ihre möglichen positiven ökonomischen Effekte tendenziell nicht von heute auf morgen, sondern im mittel- bis langfristigen Bereich.

 

Die Gemeinwohl-Ökonomie bietet meiner Meinung nach aufgrund ihrer ideologischen Färbung und der zum Teil dadurch bedingten Realitäts- und Praxisferne, die auch von engagierten Unternehmen beanstandet werden, nur eingeschränkt ein alternatives Konzept. Ich denke, es verhindert durch seinen radikalen Ansatz sogar manche Bemühungen, weil trotz durchaus löblicher Grundgedanken wesentliche Forderungen von den Unternehmen weder umgesetzt werden können noch wollen. Ein Unternehmen, das die Mitarbeiter nicht zu 100% am Eigentum beteiligt bzw. nicht die 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich umsetzt, ist nicht automatisch eine „gierige kapitalistische Krake“.

 

Also was tun, um „allgemeines Wohl“ zu schaffen, ohne sich entweder vollkommen an den Götzen Wirtschaftswachstum zu verkaufen, noch eine Kolchose gründen zu müssen? Bzw. auf den Einzelnen umgelegt, weder ausgelebter Egoismus noch weltfremder Altruismus? Vermutlich sich pragmatisch irgendwo zwischen den beiden Extremen platzieren und mit ein bisschen Mut, Herz und Verstand kleine (oder auch größere) Schritte machen und auf ihre Wirkung vertrauen, auch wenn sie vielleicht nicht sofort sichtbar ist.

 

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