Chancengerechtigkeit, nicht Ergebnisgleichheit
18. Apr 2018 | Blog
VON Christina Kirisits
Dieser Satz hat mich bei der Suche nach Materialien zu meinem Blog zum Thema „Aktuelle Ordnungspolitik“ angesprochen. Auch wenn die dazugehörige Studie des Roman Herzog Instituts (Soziale Marktwirtschaft aus ordnungspolitischer Sicht in Anlehnung an Walter Euckens „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ von Dr. Dominik H. Enste, 2006 Roman Herzog Institut e.V., München) das Jahr 2006 datiert, so sind die Herausforderungen an die in diesem Zusammenhang genannten regulierenden Prinzipien wie Wettbewerbspolitik (siehe TTIP, Handelszölle der USA), Finanz-,Steuer- und Sozialpolitik (z.B. bedingungsloses Grundeinkommen, Besteuerung internationaler Konzerne) und Arbeitsmarkt-, Beschäftigungs- und Bildungspolitik (Aktion 20.000) im Laufe des letzten Jahrzehnts sogar deutlich gestiegen. Dazu kommen noch die immer virulenter gewordene Integrationspolitik und Umweltpolitik, die daher meiner Meinung als eigene Prinzipien gelten sollten.
Die unten angeführte Übersicht spiegelt grundsätzlich die unterschiedlichen Ansätze der einzelnen Länder gut wieder, wobei man sich die Frage stellen kann, inwieweit der wirtschaftliche Erfolg eines Landes wie Deutschland oder Südkorea trotz oder wegen ihrer Regulierungsintensität zustande kommt.
Quelle: romanherzoginstitut.de
Interessant ist auch der Ansatz der „Good Governance“, d.h. einer „Guten Regierungsführung“, als einem guten Steuerungs- und Regelungssystem einer politisch-gesellschaftlichen Einheit wie etwa eines Staates oder einer Gemeinde. Es beinhaltet gutes Regierungs- und auch Verwaltungshandeln einschließlich einer guten Haushalts- bzw. Budget-Mittel-Bewirtschaftung, verbunden mit entsprechender Transparenz, Partizipation und Rechtsstaatlichkeit. Die Schweiz belegt daher hier erwartungsgemäß den ersten Platz.
Auch wenn dieses Ranking durchaus zu hinterfragen ist, so stellt es doch eine interessante Diskussionsgrundlage zu dem Thema, wie viel staatliche Ordnung ein Land und seine Bewohner „vertragen“, dar. Einerseits sind die USA als typische Marktwirtschaft ein gutes Beispiel, wie die historisch begründete, bewusste Nicht-Regulierung in Bereichen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik erst recht „Chancenungerechtigkeit“ produziert.
Andererseits sieht man an Österreichs sozialer Marktwirtschaft, dass unsere sehr aktive Arbeitsmarktpolitik, die deutlich in Richtung „Ertragsgleichheit“ geht, auch nicht notwendigerweise die gewünschten Ergebnisse bringt, zumindest nicht im Verhältnis zu dem organisatorischen und finanziellen Aufwand, der von Seiten des Staates betrieben wird. Wobei es meiner Meinung nach gar nicht so sehr um das „Zuviel“ an Regulierungen per se geht, sondern dass Staaten wie Österreich oder Deutschland ihr Potential zur Lenkung zu erratisch einsetzen bzw. die gesetzten, aber auch v.a. die nicht gesetzten, Anreize zu wenig durchdacht werden.
Wenn entsprechende Anreize geschaffen werden, durch die die Bürger in die vom Staat angestrebte Richtung selbst aktiv werden, bedarf es weniger staatlicher Verpflichtungen: Will man nicht jedem Bürger eine Pflegeversicherung vorschreiben, muss diese z.B. über eine wirklich wirksame und nicht nur halbherzige steuerliche Absetzbarkeit attraktiv gemacht werden. Gleiches lässt sich auf die private Pensionsvorsorge (man denke an das Chaos bei der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge) und auf die Kinderbetreuung anwenden. Statt des Familienbonus wäre es sinnvoller gewesen, die bereits bewährte Absetzbarkeit der Kinderbetreuung nicht mit 11 Jahren (wer ist darauf gekommen?!) zu beschränken, sondern verbunden mit einer einkommensabhängigen Staffelung bis 18 Jahre zu gewähren. Schließlich geht es hier ja nicht nur um Nachmittagsbetreuung, sondern auch um Musikschule, Sportverein und Sommercamp.
Und um noch einmal auf den Arbeitsmarkt zurück zu kommen: Wenn ich frage, wie müssen unternehmerische Bedingungen und Umfeld aussehen, damit ein Unternehmen ältere Arbeitnehmer einstellt bzw. behält bzw. welche Anreize hat eine arbeitslose Person, aktiv eine neue Arbeit zu suchen oder sich weiterzubilden bzw. umzulernen, und was kann der Staat mit seinem ordnungspolitischen Regulatorium dazu tun, so eröffnet die veränderte Fragestellung meiner Meinung nach mehr und andere Lösungsmöglichkeiten. Ich möchte keinesfalls die mühsame Arbeitssuche vieler verharmlosen, aber insgesamt gibt es derzeit trotzdem zu viele, für die der einzige Anreiz der Verlust des Arbeitslosengeldes ist. Weiters ist es sicherlich eine schwierige Aufgabe, geeignete ordnungspolitische Lösungen für die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit und der Zukunft zu finden und auch umzusetzen.
Ich finde aber, dass es sich die seit Jahren zwischen Zaudern und „Vorschlaghammer“ schwankende Politik in Summe zu leicht macht, und dabei die wichtigen Ziele, über die ja inzwischen eigentlich ein gesellschaftlicher Grundkonsens besteht, aus den Augen verliert. In der Studie des Roman Herzog Instituts wird aus einer Rede des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Horst Köhler über die „Ordnung der Freiheit“ zitiert, die ich daher an den Abschluss meines Blogs stellen möchte:
„Die Ordnung der Freiheit bedeutet: Die Bürger beauftragen den Staat, die Spielregeln zu setzen. Aber das Spiel machen die Bürger. Die Regeln lauten: Privateigentum und Vertragsfreiheit, Wettbewerb und offene Märkte, freie Preisbildung und ein stabiles Geldwesen, eine Sicherung vor den großen Lebensrisiken für jeden und Haftung aller für ihr Tun und Lassen. Der moderne Sozialstaat schützt vor Not; aber er gaukelt nicht vor, dem Einzelnen den einmal erreichten Lebensstandard garantieren zu können. Auf diese Regeln muss Verlass sein. Die Bürger müssen wissen, was auf sie zukommt. Ohne Verlässlichkeit kein Vertrauen. Ohne Vertrauen kein Aufschwung.“
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