Alter Wein neu gekeltert – oder doch eine nachhaltige Revolution?

10. Aug 2018 | Blog

VON Alfred Kober

Neben der Integration nachhaltiger Aspekte sowie den zahlreichen technologischen Errungenschaften durchdringt seit einiger Zeit das Thema des faktororientierten Investierens die breite Masse der Investorenschar. In diesem ersten Teil einer Blogserie versuche ich einige Aspekte dieses Themas zu beleuchten, um in weiterer Folge Argumente für eine Beantwortung der Frage zu finden, ob sich dahinter mehr eine Modeerscheinung oder eine substantielle Weiterentwicklung herkömmlicher Investmentansätze verbirgt.


Primär stellt sich im ersten Schritt die Frage, was unter Faktororientiertheit verstanden werden kann? Wie so oft, hilft zur Beantwortung dieser Frage ein Blick in die Geschichte. Bereits zu den Anfängen der Kapitalmarkttheorie, wenige Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, gingen Wissenschaftler der zentralen Frage nach, welche Einflussgrößen einen erklärenden Beitrag zur Kursentwicklung (Rendite & Risiko) einzelner Aktien leisten. Während sich die Entwicklung in diesen Anfangsjahren weitestgehend auf den Faktor der Kurssensibilität im Vergleich zum Gesamtmarkt (auch als Markt-Beta bekannt) beschränkt, wurden diesem „Single-Index-Model“ im Laufe der Zeit weitere Einflussgrößen hinzugefügt. Neben den beiden Herrschaften Fama und French, die mit ihrem 3-Faktorenmodell in den 90iger Jahren weltweite Aufmerksamkeit erlangten und nachweisen konnten, dass auch die Bewertung von Aktien sowie deren Börsenkapitalisierung (Größe) systematisch Einfluss auf den Preisbildungsprozess nehmen, folgten weitere fruchtbare Bemühungen unzähliger Autoren. Die Komplexität des Themas wird dadurch sichtbar, dass mittlerweile mehrere hundert Faktoren identifiziert wurden, die erklärende Beiträge liefern. Ein erheblicher Anteil dieser ist für den Realbetrieb eher nicht relevant, da die Handelbarkeit oft nicht gegeben ist und auch regulatorische Vorgaben eine Ausnutzung der Erkenntnisse im Wege stehen. Damit wird vieles Geschriebene auch künftig eher ein Thema für die großen Archive der Universitäten bleiben.


Das breite Spektrum der identifizierten Einflussgrößen reicht von rein kursbasierenden Faktoren bis hin zu Aspekten, die sich auf Kennzahlen von Unternehmen stützen. Demgegenüber steht ein stetig schrumpfender Anteil der Kursbewegung, der nicht durch definierte und systematisch implementierbare Merkmale/Eigenschaften einer Aktie (Faktoren) erklärt werden. Dieser Anteil, weitläufig auch als Alpha bekannt, steht für die Leistung aktiv orientierter Portfoliomanager und ist dabei, ziemlich auszudünnen.


Faktoren verfügen über unterschiedliche spezifische Charakteristika, aus der sich vage Ertrags- und Risikoerwartungen einer einzelnen Aktie und aussagekräftigere Prognosen eines gut diversifizierten Aktienportfolios ableiten lassen. Die definierte Zielsetzung eines aktiv ausgerichteten Verwalters von Aktienportfolios ist in der Regel die, Aktien zu selektieren und zu kombinieren, um in Folge attraktive Ergebnisse hinsichtlich des Risikos und des Ertrags zu generieren. Bis vor nicht allzu langer Zeit erforderte ein sauberer Prozessablauf erhebliche Ressourcen, immerhin mussten die Daten der Unternehmen gesammelt, dokumentiert und verarbeitet werden. Eine Heerschar an Analysten und Portfoliomanager umkreisen immer noch den Erdball auf der Suche nach den aussichtsreichsten Investitionskandidaten mit den attraktivsten Eigenschaften. Die Ausrichtung ist dabei unterschiedlich und reicht von sehr langfristig und strategisch bis hin zu extrem kurzfristig orientierten Portfoliomanagern. Erst die technologischen Entwicklungen und Ressourcen der letzten Zeit ermöglichen eine effizientere Abhandlung der Investmentprozesse und stellen herkömmliche Investmentansätze zusehends in Frage.


So auch der für seine Professionalität bekannte norwegische staatliche Pensionsfonds, der den Stein der Faktorrevolution in den letzten Jahren erst so richtig ins Rollen gebracht hat. Eine unabhängige Analyse der Fondsrenditen im Zeitraum von 1998 bis 2009 bescheinigte dem aktiv ausgerichteten Managementstil recht gute Resultate. Im Zuge der Marktturbulenzen erlitt die gute Renditehistorie allerdings einen herben Rückschlag. Das Ergebnis der Analyse war für viele der direkt Beteiligten ziemlich ernüchternd, da knapp 70% der erzielten Überrendite der Ausrichtung gut definierbarer Faktoren geschuldet ist, die im Rahmen einer systematisierten Faktorausrichtung erheblich effizienter (Ressourcenaufwand & Ergebnis) umgesetzt werden kann. Die Analyse, die seitens Wissenschaftler sehr renommierter Universitäten (Columbia, Yale, London Business School) durchgeführt wurde, beinhaltete einige Empfehlungen und löste heftige Debatten in den Gremien des Staatsfonds aus. Eine dieser Empfehlung der Autoren lag unter anderem darin, dass aktiv orientierte Manager des Fonds nur für Überrenditen entgolten werden, die über denen von Portfolios/Indizes mit ähnlicher Faktoreigenschaft liegen. Der norwegische Pensionsfonds zählt mit seinen aktuell 900 Mrd. EUR Vermögen zu den größten staatlichen Fonds. Bei 5 Mio. Einwohnern errechnet sich ein nettes Sümmchen von 180k EUR pro Norweger/In. Ich empfehle jedem Leser, einen kurzen Blick auf die Homepage zu werfen, die sowohl einen guten Einblick in die Arbeitsweise als auch in das Veranlagungsportfolio gibt (www.nbim.no). Die langfristige strategische Ausrichtung und die damit verbundenen Allocationsentscheidungen zeugen von Professionalität, die beispielhaft ist und seinesgleichen sucht. So wurde erst unlängst entschieden, die strategische Ausrichtung anzupassen und den Aktienanteil von 62% auf 70% aufzustocken (Benchmark!) – dieser lag in den letzten 20 Jahren niemals unter 40% und wurde im Zuge der Kreditkrise nicht reduziert, wie in vielen ähnlich gelagerten Fonds, sondern auf über 60% angehoben. Also keine Spur von unsinnigen Entscheidungen bzw. von politisch motivierten, gut verkaufbaren, allerdings renditeschmälernden Kapitalgarantien oder Ähnlichem.


Wenn auch nicht sämtliche Empfehlungen der Wissenschaftler umgesetzt wurden, so richtungsweisend waren die Studienergebnisse für die gesamte Branche. Die technologischen Möglichkeiten erlauben uns einen pragmatischen Zugang zum Thema und vor dem Hintergrund des globalen Rendite- und Kostendrucks geht es nun Schlag auf Schlag. In einer kürzlich veröffentlichten globalen Umfrage von FTSE Russell (FTSE Russel: Smart beta: 2018 global survey findings from asset owners) erwägen 70% der befragten institutionellen Investoren einen Einsatz von Faktorstrategien. Dabei reicht das Anlageziel von Ertragssteigerungen über Risikoreduktion bis hin zu einer Verbesserung der Diversifikation im Portfolio.


Aufgrund der Unterschiedlichkeit von Faktorportfolios hinsichtlich Ertrags- und Risikoverhalten ist die Anzahl an Ausrichtungs- und Kombinationsmöglichkeiten schier unbegrenzt. Die hohe Transparenz, die Berechenbarkeit und die Möglichkeit einer effizienten Implementierung sprechen dafür, dass uns das Thema noch sehr lange erhalten bleiben wird. Ich behaupte sogar, dass sich die systematisch umgesetzte Ausrichtung nach getesteten und begründbaren Faktoren von der Aktienseite auch auf weitere Veranlagungskategorien ausdehnen wird und durchaus das Potential hat, sich als neuer Standard im Management von Investmentprodukten zu etablieren. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich die Antwort auf die Eingangsfrage, ob Modeerscheinung oder mehr.

Hier können Sie den Verfasser gerne kontaktieren: alfred.kober@securitykag.at

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