Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich! (Mark Twain)
29. Jan 2021 | Blog
VON Alfred Kober
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Mit der Behauptung, dass wir außergewöhnliche Zeiten erleben und eingefahrene Bahnen nun anders verlaufen als gewohnt, stehe ich in diesen Tagen wohl nicht allein auf weiter Flur. In diesem Blog möchte ich mich nicht der Medienschwemme rund um das virale Thema anschließen, sondern viel mehr einige Aspekte an den Kapitalmärkten beleuchten, die momentan zumindest zum Nachdenken anregen.
Im Umfeld sinkender Geld- und Kapitalmarktzinsen, zusammenlaufender Risikoprämien und einer Geldschwemme in historischem Ausmaß verzeichneten die Aktienkurse in den vergangenen Jahren einen ordentlichen Aufschwung. Sicherlich, einige Themen sorgten dabei für zwischenzeitliche Rücksetzer – mal weniger spürbar, mal extrem heftig. Nichtsdestotrotz, unterm Strich sollte dem international ausgerichteten und gut diversifizierten Aktieninvestor eine saftige Rendite, vielleicht sogar eine zweistellige Jahresrendite verbleiben. Ja, man gewöhnt sich leicht an dauerhaft steigende Kurse und vor diesem Hintergrund finde ich den Blick in die Geschichte immer wieder bereichernd. Man stößt unweigerlich auf wiederkehrende Ähnlichkeiten, die auch von Ökonomen wie Kindleberger, Minsky oder auch Galbraith tiefgründig untersucht und mit passenden Modellen bereichert wurden.
Dass sich sekuläre Aufwärtsbewegungen an den Aktienmärkten in Phasen unterteilen lassen, eint die Modelle der Ökonomen und ist auch aus verhaltensökonomischer Sicht schlüssig. Aufwärtsbewegungen haben ihren Ursprung zumeist in exogenen Schocks, die in der Regel einen realwirtschaftlichen Hintergrund haben und grundlegende Änderungen der Wirtschaft bewirken. Disruptive Inventionen und in weiterer Folge Innovationen, Liberalisierungen oder auch das Ende eines Krieges wären Beispiele für solch einen Ausgangspunkt. Diese Grundsteinlegung (Phase 1) wird in Phase 2 um überzeugende Argumentationen rund um das Anlagethema bereichert. Geld beginnt zu fließen – Preise steigen. Dieser positive Rückkoppelungseffekt verleiht dem Thema mehr Glaubwürdigkeit. Man gewöhnt sich an diesen positiven Feedback-Loop – in Phase 3 steigt die Dynamik der freundlichen Grundstimmung und geht über in die Phase der Euphorie. Es gibt nur die eine Richtung und ganz nach dem Motto „diesmal ist alles anders“ werden Bewertungsgrundsätze als überholt erachtet. Neue Rechtfertigungen für die hohen Preise werden kreiert. Wertpapiere handeln nun nicht mehr der Investition wegen, sondern ganz nach der „Greater-Fool-Theory“ und werden wie heiße Kartoffeln weitergegeben. Das Spekulationsfieber grassiert in dieser Phase und die Gefahr einer Ansteckung ist extrem (FFP2? - in diesem Fall leider nutzlos). Eine wesentliche Rolle spielt dabei der psychologische Faktor. Für viele ist es furchtbar mit anzusehen, wie die Leute um einen herum reich werden – irgendwann bricht der Damm des Widerstands. Bei Kursen in schwindelerregender Höhe bedarf es oft nur eines kleinen Auslösers, der die Blase platzen und Kurse fallen lässt. Erst werden Rücksetzer für Zukäufe genutzt. Bei anhaltender Kursschwäche reißen erste Kreditlinien von verschuldeten Anlegern - Konkurse folgen. Dann geht es in der Regel recht schnell mit dem Lift nach unten. Die finanzielle Not steigt und mit sinkenden Kursen setzt ein negativer Rückkoppelungseffekt ein. Auch kriminelle Machenschaften kommen in dieser Phase häufig ans Tageslicht. Ganz nach Warren Buffet, der einst meinte, dass erst in der Ebbe zu erkennen ist, wer ohne Badehose schwimmt. In der letzten Phase setzt ein gewisser Grad an Abscheu ein, das Ausmaß der Fehlallokationen wird ersichtlich und Marktteilnehmer kehren dem Kapitalmarkt zutiefst verärgert und erschüttert den Rücken. Das Preispendel schert aus – diesmal in das negative Extrem.
Eine etwas abgewandelte Form dieser beschriebenen 5-Phasen ist in Abbildung 1 ersichtlich. Ich finde die Darstellung insofern recht gut, da das Kursverhalten rund um die Technologieblase, die Kredit-/Immobilienblase in den USA oder auch den japanischen Aktienmarkt in den 1980iger Jahren gut in dieses Grobgerüst passt.
An dieser Stelle möchte ich auf 2 Merkmale einer langfristigen Aktienhausse hinweisen: 1. Je länger die Aufwärtsbewegung andauert, desto mehr (Privat-)Anleger drängen in den Markt; 2. Die Phase der Euphorie ist gekennzeichnet durch erhebliche, ja häufig exponentielle Kursanstiege. Geldmittelzuflüsse sind in dieser Phase am höchsten.
Natürlich, die Millionenfrage lautet: In welchem Stadium befinden wir uns aktuell? Den vielen Optimisten stehen ebenso viele Pessimisten gegenüber. Dieses Kräftemessen charakterisiert einen gesunden Markt. Dass wir uns nach über 10 Jahres Aktienhausse nicht am Ausgangspunkt und auch nicht am vorderen Stück der Aufwärtsbewegung befinden, behaupte ich an dieser Stelle einfach. Auch befinden wir uns nicht in einem Bärenmarkt. Feststellbar ist das zunehmende Interesse seitens der Privatanleger, die die Veranlagung immer stärker selbst in die Hand nehmen. Mit zunehmendem Grad der Unerfahrenheit sinkt oft die Empfänglichkeit für professionelle Unterstützung. Kapital fließt – vor allem in Einzelthemen. Es sind diese punktuelle Abkoppelung und extreme Kursentwicklung, die bei mir oft Unverständnis und Kopfschütteln auslösen. Allerdings ist auch dies für Börsen charakteristisch und nicht allzu außergewöhnlich.
Die Generation Z (Geb. Datum 1997-2012) drängt in den Arbeitsprozess, verdient erstmals ihr eigenes Geld und versucht ihr Glück am Kapitalmarkt. Broker-Apps mit vermeintlich kostenlosem Wertpapierhandel verzeichnen Zuflüsse in Rekordhöhe. Schon allein die Anzahl der User beim Trading-App „Robinhood“ stieg im vergangenen Jahr auf rd. 13 Millionen – Durschnittsalter: 31 Jahre (lt. BusinessofApps, November 2020). Natürlich, ohne Anforderung an Mindestkapital und selbstverständlich mit großzügiger Kreditlinie. Für viele ist es E-Sport der neuen Art. User organisieren sich auf Social-Media Plattformen (Reddit.com etc.) und lehren mit gezielten Attacken auf Short- Seller selbst etablierten Hedgefonds das Fürchten. Die Altersstruktur dieser meist unerfahrenen Investoren lässt vermuten, dass klassische Blue-Chips nicht unbedingt an vorderster Stelle der Begehrlichkeit stehen. Sicherheit im Krisenfall sucht diese Generation nicht etwa in Gold, sondern viel eher in 20.000, 30.000, 40.000, 30.000,- USD pro Bitcoin.
Um an das dargestellte Modell der „Anatomie einer Blase“ anzuschließen, sind für mich auch im aktuellen Marktumfeld punktuelle Übertreibungen erkennbar – allerdings nicht auf breiter Ebene! Während für mich die stark positiven Kursentwicklungen einzelner Titel nur schwer greifbar sind, kennzeichnen sich parallel dazu ganze Sektoren durch historisch günstige Bewertungsniveaus. Vor dem Hintergrund der Lock-Downs mehren sich die Stimmen überzogener Marktkurse. Ja, die Kursbewertungen sind nicht günstig – allerdings, auch nicht die der Alternativen (Anleihen, Immobilien etc.)! Günstige Assetkategorien? - momentan leider ausverkauft! Hinzu kommt, dass Unternehmensbeteiligungen, nichts anderes sind Aktien, Realwertcharakter haben und diese in der Lage sein sollten, potentielle Verbraucherpreisanstiege einigermaßen gut kompensieren zu können.
Die Historie zeigt uns, dass der langfristige Vermögensaufbau mit breit und gut diversifizierten Aktienportfolios am ehesten funktioniert. Angesichts der negativen Renditen heimischer Staatsanleihen erscheinen rd. 5,5% an jährlicher Ertragserwartung, die wir derzeit internationalen Aktien beimessen, durchaus attraktiv (dies entspricht in etwa der historisch beobachtbaren langfristigen Risikoprämie von Aktien). Gemessen an den letzten 10 Jahren, mag das dem einen oder anderen Investor zu gering, ja zu langweilig sein. Hier spanne ich den Bogen zu Kindleberger und Minsky – die Verlockung ist hoch und eine gewisse Gewöhnung an überdurchschnittlich hohe Kurserträge ist punktuell zweifelsohne erkennbar.
Die Zukunft prognostizieren? Unsere Sicht dazu ist hinreichend bekannt und diese Disziplin überlassen wir liebend gerne anderen. Die expansive Geldpolitik der Notenbanken wirkt extrem unterstützend und renditestarke Anlagealternativen zu Aktien sind weiterhin Mangelware. Robert Shiller, der renommierte US-Ökonom zeigt mit seinen letzten Analysen anschaulich, dass Aktienmärkte keine massiven Bewertungsübertreibungen aufweisen und die zu erwartende Risikoprämie für Investoren nur leicht unter dem langfristigen Mittelwert liegt. Natürlich, der weiteren Entwicklung von Zinsen/Anleiherenditen kommt dabei eine zentrale Rolle zu.
Der positive Feedback-Loop aus Aktienkursgewinnen und die Bereitschaft zu investieren kann durchaus weiter anhalten. Warum nicht? Was zunehmend meine Aufmerksamkeit erweckt, ist das stark steigende Interesse seitens unerfahrenster Kleinstanlegern. Aktien als eine Art Spiel! Die Aktivität kommt auch im dynamisch steigenden Volumen an Kleinstoptionsorders zum Ausdruck – die Wette und das schnelle Geld stehen bei diesen Akteuren definitiv im Mittelpunkt.
Wenn ich auch den Ausgang dieses Trends vermute, ist für mich ein Abreißen der mittelfristig positiven Kursentwicklung nicht erkennbar. Das Spekulationsfieber grassiert im kleinen Kreis. Es ist durchaus vorstellbar, dass sich dieser im Laufe der Zeit ausdehnt und in eine Phase globaler Euphorie übergeht. Befinden wir uns bereits in diesem Stadium? Wer weiß das schon so genau? Ich glaube, es ist warm gekocht, aber noch nicht heiß genug.
Quellen:
BusinessofApps, 11.11.2020, Link [28.1.2021]
Rapp D., 2009, Bubbles, Booms, and Busts: The Rise and Fall of Financial Assets, Springer Science + Business Media, USA
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