Es tut sich nicht viel am alten Kontinent!
26. Mär 2021 | Blog
VON Alfred Kober
Nicht erst seit dieser angespannten Zeit wird viel über eine bevorstehende Neuordnung der wirtschaftlichen Kräfte auf globaler Ebene gesprochen. Nein, das Thema begleitet uns seit Jahren und wir stecken mitten in einem Trend, über den ich an dieser Stelle bereits mehrmals geschrieben habe. Primär thematisiere ich dabei einmal mehr den rasanten Aufstieg Chinas zur globalen Supermacht. Vor allem bei den westlichen Industrienationen löst diese Entwicklung enormes Unbehagen aus. Das bewusste Setzen von Zöllen und Handelsbeschränkungen mag Trends zwischenzeitig verlangsamen, die Richtung bleibt eindeutig – weil zu groß und zu schnell. In der Gemengelage von Demokratie und Autokratie versucht auch das kleine, aber immer noch wirtschaftliche starke und vor allem noch reiche Europa einmal mehr seine strategische Positionierung zu finden. Im globalen Kontext spielt der Alte Kontinent wohl eher nur noch eine Statistenrolle, übt sich als Importeur günstigster Waren, als verlässlicher Exporteur von Know-How und immer noch als Abnehmer hochpreisiger Kapital- und Konsumgüter. Mit zunehmender Reife der asiatischen Volkswirtschaft werden sich wohl auch immer größere Teile der europäischen Wertschöpfung in Richtung Osten verlagern. Das ist ein Prozess, der seine Zeit benötigt, aber stetig voranschreitet.
Die massiven Verschiebungen sind auch auf der Aktienseite nicht mehr zu übersehen. Dabei beziehe ich mich weniger auf die gegenwärtige Kursentwicklung von Indizes, sondern vielmehr auf die Pipeline an anstehenden Börsengängen. Unternehmen zapfen den Kapitalmarkt an, um zu wachsen, um Jobs zu schaffen, um Wertschöpfung zu kreieren und ja, schlussendlich auch um Steuern zu bezahlen. Die IPO Piplines sind prall gefüllt, im Westen wie im Osten Europas. Hierzulande tut sich dagegen recht wenig.
Was den Kapitalmarkt betrifft, und aus meiner Sicht leistet dieser einen wesentlichen Beitrag zum langfristigen Funktionieren des Gesamtgefüges, frönt Europa seit Jahrzehnten dem Schönheitsschlaf und ist weitgehend mit sich selbst beschäftigt. Dieses vielfältige Europa verkümmert immer mehr zu einem Museum, zu einer Touristendestination, in der die globale Mittelschicht freie Tage verbringt und Erholung sucht. Sorgen bereitet mir das „Dahingestolpere“ der wirtschaftlich immer noch starken Region und die unklare strategische Positionierung der EU in einem sich sehr dynamisch entwickelnden Umfeld.
Es hagelt links und rechts unseres Kontinents nur so dahin von Börsengängen und die Pipeline an geeigneten Kandidaten ist vielerorts prall gefüllt – nur nicht in Europa. Die Zeit ist vorbei, wo die Augen ausnahmslos auf die Wall Street gerichtet waren – China holt extrem schnell auf und kocht dabei nach sehr bekannten Rezepten. Europa? Trotz seiner 500 Mio. Einwohner und hoher Kapitaldichte verliert es in diesem Gefüge zunehmend an Bedeutung.
Besorgniserregend ist meines Erachtens weniger der aktuelle Zustand als vielmehr die Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten. Die nachstehende Graphik (Abbildung 1) zeigt die regionale Verteilung der über 600 Unternehmen mit einem geschätzten Wert von über 1 Mrd. Diese aufpolierten Unicorns, diese künftigen Stars, warten auf den richtigen Zeitpunkt, um auf dem Börsenparkett zu tanzen. In der Regel sind diese Unternehmen wahre Wachstumsmaschinen, erschließen zukunftsträchtige Branchen, erzielen hohe Gewinnmargen, generieren Arbeitsplätze und führen Steuern ab. Vor allem letzteres vermisse ich in vielen Diskussionen.
Abbildung 1: Unicorns - regional
Datenquelle: CB Information Services Inc.
Schlimm genug, dass Europa die Technologisierung in den letzten Jahrzehnten weitestgehend verschlafen hat. Das Oligopol der hochprofitablen IT-Konzerne sitzt nahezu zur Gänze am amerikanischen Kontinent. Innovationen mit disruptiverem Charakter setzen zunehmend etablierten Branchen zu, in denen europäische Akteure hochkompetitiv sind, wie etwa der Automobilbranche. Die Liste der EV-Hersteller wird von Monat zu Monat länger und Wirtschaftsmagazine schreiben bereits über die neue Automacht „Apple“. Abbildung 2 veranschaulicht den sektoralen Breakdown der zugrundeliegenden Datenbank an Unicorns.
Datenquelle: CB Information Services Inc.
Zukunftsbranchen charakterisieren dieses Balkendiagramm. Einige dieser bereits groß angewachsenen Unternehmen werden es nicht schaffen und wieder verschwinden – einige werden prosperieren und uns im Alltag immer häufiger begegnen. Ganz nach Schumpeter und seiner oft zitierten kreativen Zerstörung. In der letzten Darstellung dieses Blogs möchte ich noch einen Auszug aus der Liste veranschaulichen, in der die aktuell größten 25 Titel und der Vollständigkeit halber auch noch die größten 5 europäischen Vertreter angeführt sind.
Abbildung 3: Global Unicorns
Datenquelle: CB Information Services Inc.
Ist diese Liste ein Indikator für die künftige Struktur an den Weltaktienmärkten, so kann davon ausgegangen werden, dass der bereits erheblich geschrumpfte Anteil europäischer Unternehmen im globalen Kontext weiter schrumpfen wird. Getanzt wird in Nordamerika und China und in hoch technologisierten Branchen.
Kapital ist sehr wendig und fließt traditionell in Veranlagungsformen, die möglichst attraktive Renditen abwerfen. Angesichts dessen verfügen Aktieninvestoren über den immensen Vorteil geographisch weitestgehend unabhängig zu sein. Eine zunehmende Kapitalverschiebung in fernöstliche Regionen wird wohl auch passieren. Weltweit stellen sich Kapitalinvestoren bereits auf diese Kräfteverschiebung ein und treffen Adjustierungen der Veranlagungsportfolios. Ändert sich der Wind, werden Segel anders gesetzt. Flexibilität in einem weitaus globalisierten Wirtschaftssystem ist wohl auch ein Gebot der Stunde, um auch künftige Herausforderungen gut bewältigen zu können. Im pan-europäischen Kontext begegne ich diesem Mindestmaß an Wirtschaftsstrategie und Agilität leider immer weniger häufig.
Quellen:
CB Information Services Inc., Link [25.3.2021]
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