The Shortconomy – Globalisierung und ihre Schattenseiten

19. Nov 2021 | Blog

VON Benjamin Fauster

Covid-19 und die weitreichenden Folgen dieser nach wie vor anhaltenden globalen Pandemie spürt jeder von uns tagtäglich auf verschiedenste Art und Weise. Die nachhaltige Störung der weltweiten Warenproduktion und Lieferketten mit allen seinen Auswirkungen ist eine davon. Manche Experten sprechen sogar von einem chaotischen Zustand, welcher weit in das Jahr 2022 hineinreichen wird. Doch wie konnte es so weit kommen und wann wird dieses Chaos enden?

 

Globalisierung ´101´

 

In den letzten Jahrzehnten war der Konkurrenz- und Kostendruck für viele Unternehmen zum Teil enorm. Diese sahen sich auf der Suche nach niedrigeren Kosten gezwungen, ihre Produktion und damit auch das Know-how in alle Ecken dieser Welt zu verlagern. Es bildeten sich verschiedene Cluster in unterschiedlichsten Regionen weltweit. Die Folge aus dieser Entwicklung war eine hochkomplexe Lieferkette, die lange Zeit wie eine gut geölte Maschine funktionierte. Unternehmer, Aktionäre und Verbraucher waren gleichermaßen zufrieden. Mit der Pandemie wird aktuell jedoch deutlich, wie vulnerabel die globalen Lieferketten sind und wie abhängig sich die Weltwirtschaft davon gemacht hat. Die daraus resultierenden Folgen sind derzeit vielseitig.

 

Der Rattenschwanz der Pandemie

 

Es gibt kaum einen Bereich, der von den derzeitigen Versorgungsengpässen nicht zumindest tangiert wird. Ein paar Beispiele möchte ich an dieser Stelle anführen.

 

Die Automobilindustrie kämpft aktuell massiv mit dem anhaltenden Chipmangel. Aus diesem Grund muss die Produktion spürbar zurückgefahren werden. Toyota war zum Beispiel gezwungen, die Produktion um ein Drittel gegenüber dem Vorjahr zu kürzen, das vorwiegend in der Automobilindustrie eingesetzte Just-In-Time-Konzept verschärft die Lage noch zusätzlich. Aktuell liegen die Wartezeiten auf Neuwagen bereits bei einem Jahr, ein Umstand, der die Preise am Gebrauchtwagenmarkt in die Höhe treibt.

 

In Vietnam hingegen mussten die Fabriken, in denen Nike-Schuhe hergestellt werden, ihre Produktion drosseln, weil die Wanderarbeiter aus Angst vor Covid-19 in ihre Heimatprovinzen abgewandert waren. China, das weltweite Zentrum der verarbeitenden Industrie, sieht sich mit neuen Virusausbrüchen konfrontiert und reagiert darauf mit gezielten Schließungen. Die Fabrikpreise steigen jährlich um 10 %, so schnell wie seit den 1990er Jahren nicht mehr.

 

Auch Supermärkte und der Einzelhandel haben mit den Auswirkungen der Lieferengpässe zu kämpfen, weshalb immer mehr Kunden vor leeren Regalen stehen. Während in Großbritannien Waren aufgrund fehlender Lastwagenfahrer nicht transportiert werden können, kam es in China zu Hamsterkäufen nach einem Aufruf der chinesischen Regierung an die Bevölkerung zum Kauf von Gütern des täglichen Bedarfs. In den USA wiederum treiben voll beladene Containerschiffe vor den Häfen von Long Beach und Los Angeles. Reiht man alle Container, die derzeit vor den genannten Häfen liegen aneinander, würden sich diese von Graz bis nach Reykjavik erstrecken. Kein Wunder, dass es derzeit auf den Docks und in den angrenzenden Lagerhäusern an Platz mangelt. Doch selbst wenn die Ladung auf den Schiffen gelöscht werden könnte, stehen nicht genügend LKWs und Fahrer – beziehungsweise Züge – bereit, um die Waren weiter transportieren zu können.

 

Der Preis ist heiß

 

Auf die Weltwirtschaft kommen aufgrund der Lieferengpässe, die zum Teil durch eine starke Nachfrage verursacht werden, weitere Probleme zu. Eines davon sind steigende Preise. Die Teuerungsrate lag im Oktober 2021 in Österreich laut der Statistik Austria bei 3,7 % und erreichte somit den höchsten Wert seit 13 Jahren. Die EU-Statistikbehörde Eurostat meldete für Oktober dieses Jahres einen Anstieg der Inflationsrate in der Euro-Zone im Oktober um 4,1 %.  

 

Die Zentralbanken, die bereits von ihrer Ansicht abrücken, dass die Inflation "vorübergehend" ist, könnten gezwungen sein, den steigenden Preisen mit früher als erwarteten Zinserhöhungen zu begegnen. Dies muss im Hinblick auf die derzeit sprudelnden Aktien- und Immobilienpreise genau beobachtet werden. Das derzeitige Umfeld ist jedenfalls eine enorme Herausforderung für die Zentralbanker.

 

Auf Spurensuche

 

Drei wesentliche Umstände tragen zu den aktuellen Lieferengpässen bei. Auf der einen Seite gibt es nach wie vor Probleme bei der Warenproduktion und bei der Verteilung der produzierten Waren. Auf der anderen Seite ist in vielen Bereichen die Nachfrage erheblich angezogen. Boomende Bereiche in der Krise sind zum Beispiel IT, Unterhaltungselektronik und Medizintechnik, welche unter anderem die Chipkrise weiter befeuert haben.

 

Weltweit tätige Hersteller wie Toyota – Unternehmen, die ihre Produkte rund um den Globus transportieren, sowie Kunden, die auf Lieferungen sehnlichst warten, stellen sich nun gleichermaßen die Frage: Wann wird die Störung in der globalen Lieferkette enden?

 

Selbst Giganten, wie Amazon und Apple, sehen keine schnelle Verbesserung der Situation. Amazon sagte, dass sein gesamter Gewinn im vierten Quartal durch einen Anstieg der Arbeits- und Lieferkosten zunichte gemacht werden könnte. Apple gab bekannt, dass das Unternehmen 6 Milliarden Dollar an Umsatz verloren hat, weil es die Nachfrage nicht befriedigen konnte, und könnte im nächsten Quartal noch mehr einbüßen.

 

Die Logistiksysteme folgen in der Regel dem Auf und Ab der Weltwirtschaft nach einem vorhersehbaren Muster: Die steigende Nachfrage kurbelt den Handel an, was die Frachtraten in die Höhe treibt und gute Zeiten für die Spediteure ankündigt, bis sie ihre Kapazitäten überziehen und eine Flaute folgt.

 

Doch die Pandemie hat diesen Zyklus aus dem Gleichgewicht gebracht. Selbst bei Anzeichen für eine Verlangsamung des Wachstums war die Pipeline des internationalen Handels noch nie so überfüllt.

 

Unbekanntes Terrain in Sicht

 

Die Lieferengpässe dürften sich laut Experten nach dem chinesischen Neujahrsfest Anfang Februar entspannen, obwohl die Störungen mindestens bis Mitte nächsten Jahres andauern könnten. Selbst dann könnte es noch einige Zeit dauern, bis sich die Lieferketten aufgrund der aufgestauten Nachfrage und der Aufstockung der Lagerbestände vollständig entflechten.

 

Was als Nächstes kommt, ist bis dato unbekanntes Terrain, zum Teil wegen der schieren Anzahl von Engpässen auf dem Weg vom Fließband zum Einkaufskorb.

 

Als erster Schritt muss auf globaler Ebene Covid-19 in den Griff bekommen werden. Ein neuerliches Aufflammen von Hot-Spots würde die gegenwärtig fragilen Lieferketten nochmals tiefgreifend stören.

Kurzfristig nehmen aktuell große Unternehmen die Logistik einfach selbst in die Hand. Beispiele gibt es genug: Ikea und Walmart chartern bereits eigene Schiffe und kaufen Container, Amazon vergrößert seine Flugzeug- und Lastwagenflotte und Coca-Cola hat vor kurzem sogar einige Kohlefrachter gemietet, weil Schiffe bereits Mangelware sind. Der Trend zur logistischen Unabhängigkeit wird mit Sicherheit auch nach einer überwundenen Pandemie anhalten. Amazon hat diesen Weg schon vor Jahren beschritten und zeigt, wie es gehen könnte.

 

Langfristig werden große Investitionen in neue Infrastrukturen für mehr Logistikkapazitäten und moderne Technologien wie digitale Transaktionen und schnelle Kommunikation unausweichlich sein. Des Weiteren sollten Unternehmen daran arbeiten, ihre Produktionsstandorte und das dafür notwendige Know-how besser zu verteilen. Bei zukünftigen Störungen der Lieferkette wäre dann das Risiko eines kompletten Zusammenbruchs weniger wahrscheinlich.

 

Einer für alle, alle für einen

 

Egal ob Unternehmen, Staaten, Zentralbanker oder Konsumenten – aktuell müssen alle an einem Strang ziehen, um die Welt aus dieser misslichen Lage zu manövrieren. Langfristige Lösungen sind gefragt, um die Lieferketten für zukünftige Herausforderungen auf stabile Beine zu stellen. Die Globalisierung sollte man nicht per se verteufeln, aber bei dieser Gelegenheit zu einem gewissen Teil kritisch hinterfragen. So können robustere Abläufe entstehen und die Shortconomy wird wieder zur Economy, wie wir sie kennen.

 

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