Das Taumeln Sri Lankas

15. Jul 2022 | Blog

VON Benjamin Fauster

Rund 22 Millionen Sri Lanker haben derzeit wenig zu lachen. Das Land befindet sich immerhin in der schwersten Wirtschaftskrise seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1948. Treibstoff, Gas zum Kochen, Lebensmittel sowie Medikamente sind äußerst knapp. Die aktuell sehr hohe Inflation und stundenlange Stromausfälle tragen den Rest zu der misslichen Situation in Sri Lanka bei. Politische Unruhen mit Rücktritten des Präsidenten und des Premierministers, beide Mitglieder der bis dato mächtigen und gleichzeitig heftig kritisierten Rajapaksa Familie, waren daraufhin nahezu vorprogrammiert.

 

Doch wie konnte es so weit kommen? Um das zu verstehen, müssen wir die Rahmenbedingungen und verschiedenen Ursachen ein wenig näher beleuchten.

 

Hohe Abhängigkeit von Importen

Sri Lanka hat über Jahre hinweg mit einem Handelsbilanzdefizit abgeschlossen. In einem durchschnittlichen Haushalt wurden rund 22 % der konsumierten Lebensmittel importiert, in ärmeren Schichten liegt diese Zahl sogar noch höher. Der Top-Import Sri Lankas sind jedoch Treibstoffe.

 

 

Da die Sri-Lanka-Rupie weltweit nicht sonderlich begehrt ist, müssen Importe in Fremdwährung (z.B. US-Dollar) bezahlt werden. Die große Gefahr – wenn die Sri-Lanka-Rupie an Wert verliert, werden Importe demensprechend teurer.

 

Die Rupie fixieren und Fremdwährung leihen

Bei einer hohen Importabhängigkeit gibt es zwei beliebte Instrumente, um sich die ausländischen Güter leisten zu können:

1. Die eigene Währung an eine Fremdwährung koppeln (z.B. den US-Dollar)

2. Eine Menge Fremdwährung ausleihen

 

Beide Instrumente werden häufig eingesetzt und können wirtschaftliche Stabilität bringen, machen das Land jedoch anfälliger für eine Währungskrise. Sri Lanka hat beide Möglichkeiten genutzt.

 

Ein fester Wechselkurs ist eine Möglichkeit, den Wert der Währung auf einem hohen Niveau zu halten, damit sich das Land problemlos viele Billigimporte leisten kann. Die Regierung legt somit einen Kurs fest, auch wenn der Markt eventuell den Kurs nicht auf diesem Level erwarten würde.

 

Um diesen fixen Kurs gewährleisten zu können, hält die Nationalbank Devisen, um bei Bedarf intervenieren zu können.

 

Zusätzlich sind bei einem hohen Handelsdefizit Kredite notwendig, um die Differenz ausgleichen zu können. Für ein Schwellenland bzw. Entwicklungsland kann es sehr teuer sein, Schulden in eigener Währung aufzunehmen. Ausländische Kreditgeber haben Angst, dass der Wechselkurs der Rupie abstürzt und das Geld, das sie zurückbekommen, dann viel weniger wert ist. Um dieses erhöhte Risiko zu kompensieren, verlangen sie für Rupienkredite an Sri Lanka einen viel höheren Zinssatz. 

 

Aus diesem Grund müssen Entwicklungsländer ihre Schulden häufig in Hartwährung aufnehmen. Fällt die Lokalwährung, aus welchen Gründen auch immer, wird die Rückzahlung für den Staat teurer.


Fehlentscheidungen auf mikroökonomischer Ebene

Fremdwährung wurde von Sri Lanka nicht nur aufgenommen, um die Importe zu finanzieren. Vielmehr hat China einige Infrastrukturkredite gewährt, den größten Teil davon für einen Hafen in Hambantota. Dieser strategisch wichtige Tiefseehafen konnte von Sri Lanka nie rentabel geführt werden. Dadurch war Sri Lanka gezwungen, China die Mehrheitsbeteiligung am Hafen selbst abzugeben, und die Regierung musste noch mehr Schulden in Fremdwährung aufnehmen.

 

Eine weitere zweifelhafte Entscheidung war eine massive Steuersenkung im Jahr 2019, in der Hoffnung, dass dies die Wirtschaft im Land ankurbeln würde. Dieser Effekt blieb jedoch weitestgehend aus, wodurch die fehlenden Steuereinnahmen für die Rückzahlung der Fremdwährungsschulden fehlten.

 

Die vermutlich fatalste Entscheidung war jedoch, letztes Jahr den Import und die Verwendung von künstlichen Düngemitteln und Pestiziden im ganzen Land zu verbieten. Stattdessen sollten lokale Bio-Düngemittel zum Einsatz kommen, welche jedoch nicht denselben Effekt hatten und keinen gleichwertigen Ersatz darstellten. Die Produktion von Tee – Sri Lankas wichtigster Nutzpflanze – ging innerhalb eines Jahres um 18 % zurück. Die Produktion von Reis – der wichtigsten Nahrungspflanze – war sogar noch stärker betroffen. 

 

Dieses Debakel hatte mehrere Auswirkungen. Erstens: Durch den Rückgang der Steuereinnahmen war die Regierung nicht mehr in der Lage, die in Fremdwährung aufgenommenen Schulden zurückzuzahlen. Zweitens gab die Schwächung der Wirtschaft den Bürgern Sri Lankas einen Grund, ihr Geld ins Ausland zu bringen, was die Kapitalflucht förderte und die Rupie weiter unter Druck setzte. Drittens war Sri Lanka gezwungen, durch die Verringerung der Nahrungsmittelproduktion noch mehr Nahrungsmittel zu importieren, als die Devisen ohnehin schon knapp wurden. Gleichzeitig machen landwirtschaftliche Produkte einen beträchtlichen Anteil an den Exporten Sri Lankas aus, wodurch die Beschaffung von Devisen nochmal erschwert wurde. Und diese wurden immerhin benötigt um A) weiterhin für importierte Lebensmittel und Treibstoff zu bezahlen und B) die Zahlungen für die Auslandsschulden aufrechtzuerhalten.

 

Weitere Einflüsse

Die COVID-19-Pandemie hat die Welt erschüttert und weltweit zu Grenzschließungen geführt und einen der lukrativsten Wirtschaftszweige Sri Lankas zum Erliegen gebracht. Vor der Pandemie, im Jahr 2018, trug der Tourismus fast 5 % zum BIP des Landes bei und schuf über 388 000 Arbeitsplätze. Im Jahr 2020 war der Anteil des Tourismus am BIP auf 0,8 % gesunken, wobei bis zu diesem Zeitpunkt über 40 000 Arbeitsplätze verloren gingen.

 

Neben der Pandemie waren jedoch auch die Terroranschläge im Jahr 2019 in Sri Lanka ein Grund, dass die Touristen das Land nicht mehr als Reiseziel ansteuerten. 

 

Das implodierende Kartenhaus

Der Zentralbank Sri Lankas gingen schlussendlich die Währungsreserven aus, um den fixierten Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar aufrecht zu erhalten.

 

 

Der Fall des fixierten Kurses führte Sri Lanka ohne Umweg in eine Währungskrise. Die Rupie verlor von März bis Mai dieses Jahrs innerhalb weniger Wochen massiv an Wert.

 

 

Die schwache Sri-Lanka-Rupie macht es für das Land aktuell teuer, die Schulden zu bedienen. Was tun Staaten, wenn Sie Ihre Schulden nicht begleichen können? Eine Möglichkeit ist die Zahlungsunfähigkeit. Die Regierung von Sri Lanka hat genau das im Mai getan, mit ihrem ersten Staatsbankrott überhaupt.

Eine weitere Möglichkeit, Schulden zu tilgen, besteht darin, Geld zu „drucken“. Eine erhöhte Geldmenge in Sri Lanka befeuert jedoch zusätzlich die Inflation, welche aktuell ohnehin schwindelerregende Höhen erreicht:

 


Wie geht es wirtschaftlich weiter?

Sri Lanka wird sich nicht mehr aus eigener Kraft aus den Schulden befreien können und steht bereits in Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds über ein Hilfspaket.

 

Die Ziele des neuen IWF-gestützten Programms sind die Wiederherstellung der makroökonomischen Stabilität und der Schuldentragfähigkeit bei gleichzeitigem Schutz der Armen und Schwachen, die Wahrung der Finanzstabilität und die Intensivierung der Strukturreformen zur Beseitigung der Korruptionsanfälligkeit und zur Erschließung des Wachstumspotenzials Sri Lankas.

 

Die Weltbank zusätzlich hat bereits 170 Milliarden Dollar zugesagt, es ist das größte Rettungsprogramm in der Geschichte der Organisation.

 

Erst vor kurzen hat jedoch der Ministerpräsident Sri Lankas, Ranil Wickremesinghe, eine tiefe Rezession für das nächste Jahr prognostiziert. Weiterhin werde es nicht genügend Lebensmittel, Treibstoffe und Medikamente geben. Vermutlich wird es jedoch Jahre dauern, bis man wieder von einer Art Normalität sprechen kann.

 

Quellen:

Hier können Sie den Verfasser gerne kontaktieren: benjamin.fauster@securitykag.at

Risikohinweis

HINWEIS: Die Security BLOGS stellen lediglich die persönliche Meinung des Verfassers im Erstellungszeitpunkt und daher nicht die Meinung des Medieninhabers dar. Eine Haftung für diese Aussagen kann vom Medieninhaber ausdrücklich nicht übernommen werden. Die Wertentwicklung der Vergangenheit lässt keine verlässlichen Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds zu. Ausgabe- und Rücknahmespesen der Fonds sowie sonstige externe Spesen und Steuern sind in den Performanceberechnungen nicht berücksichtigt und mindern die Performance. Ertragserwartungen stellen bloße Schätzungen zum Zeitpunkt der Erstellung der Informationen dar und sind kein verlässlicher Indikator für eine tatsächliche künftige Entwicklung. Die aktuellen Prospekte und Basisinformationsblätter (BIB) sind in deutscher Sprache auf der Homepage www.securitykag.at (Fonds) sowie am Sitz der Emittentin Security Kapitalanlage AG, Burgring 16, 8010 Graz und der Depotbank Liechtensteinische Landesbank (Österreich) AG, Heßgasse 1, 1010 Wien, kostenlos erhältlich. Beachten Sie bitte auch die weitergehenden Risikohinweise in den Verkaufsprospekten und unter www.securitykag.at/fonds/risikohinweis/ sowie die Offenlegung im Sinne des § 25 Mediengesetz und www.securitykag.at/fusszeile/impressum-offenlegung/