Blog
18. November 2025
Ein Blick hinter den Vorhang der aktuellen Risikoprämien im High Yield Markt
Die Risikoprämien, gemessen anhand der Asset Swap Spreads (ASW), sind ein zentrales Instrument zur Bewertung von Anleihemärkten. Sie spiegeln die Kompensation wider, die Investoren für die Übernahme von Kreditrisiken erhalten. Besonders im High Yield Segment, das traditionell als Indikator für die allgemeine Risikobereitschaft am Markt gilt, war die Entwicklung der Spreads in den letzten Jahren äußerst dynamisch. Viele Marktteilnehmer stellen sich daher die Frage, ob die aktuell tendenziell engen Spreads noch einen Einstieg rechtfertigen, oder hierfür zugewartet werden soll.
Für die nachfolgende Analyse wird auf einen globalen High Yield Index von ICE BofA zurückgegriffen. Angesichts der sich verändernden Marktstrukturen und alternativer Finanzierungsformen ist eine differenzierte Betrachtung der aktuellen Spread-Niveaus unerlässlich.
Spread-Niveau: Warum das absolute Level allein wenig aussagekräftig ist
Die bloße Betrachtung des aktuellen Spread-Niveaus – also des Unterschieds zwischen der Rendite von Unternehmensanleihen und dem risikofreien Zins (Swaprates) – reicht nicht aus, um zu bewerten, wie günstig, teuer oder letztlich attraktiv eine Anleiheklasse ist. Die Ursache hierfür liegt in der Heterogenität der Indizes, die im Laufe der Jahre erheblichen Veränderungen unterlagen. Ein auf den ersten Blick attraktives Spread-Niveau kann etwa durch eine veränderte Indexzusammensetzung, eine verbesserte Bonitätsstruktur oder eine Verschiebung der Laufzeiten relativiert werden. Ein bloßer Vergleich zwischen verschiedenen Marktphasen ist daher nur eingeschränkt aussagekräftig.
Die folgende Abbildung zeigt die Entwicklung des Asset Swap Spreads in Basispunkten (Primärachse, links) im Zeitraum von 2005 bis 2025. Zusätzlich wird das durchschnittliche Rating (Sekundärachse, rechts) dargestellt, was die durchschnittliche Bonität der zugrunde liegenden Emittenten widerspiegelt. Neben dem klassischen, gewichteten durchschnittlichen Spread-Level wurde auch noch zusätzlich die um Distressed Bonds bereinigte Risikoprämien angeführt.

Die Grafik macht deutlich, dass die Assetklasse High Yield Anleihen äußerst sensibel auf Krisen reagiert und Ausschläge, bei denen sich die Risikoprämie verdoppelt, keine Seltenheit sind. In der Vergangenheit kam es infolgedessen wiederholt zu deutlichen Drawdowns im High Yield Markt, ausgelöst durch eine starke Ausweitung der Risikoprämien. Das durchschnittliche Rating schwankt im Zeitverlauf moderat, es lässt sich ein Zusammenhang zwischen Krisen und einer zeitverzögerten Verschlechterung des Ratings – bedingt durch den Time Lag der Ratingagenturen – zumindest teilweise beobachten. Besonders ausgeprägt war dieses Muster nach der Finanzkrise, aber auch, wenn auch weniger deutlich, während der Covid-Pandemie sowie mit Beginn der Zinswende. Insgesamt ist jedoch eine Verbesserung des durchschnittlichen Ratings festzustellen. Diese Verschiebung trägt zu einer strukturellen Senkung des Spread-Niveaus bei. Ein höherer Anteil an BB gerateten Anleihen reduziert den Durchschnittsspread, weshalb ein direkter Vergleich mit Phasen, in denen B oder CCC Ratings stärker im Index vertreten waren, irreführend ist beziehungsweise dadurch verzerrt wird.

Distressed Bonds – also Anleihen mit besonders hoher Ausfallwahrscheinlichkeit und entsprechend hohen Spreads – üben einen erheblichen Einfluss auf den durchschnittlichen Spread eines Index aus. In Stressphasen steigt der Anteil dieser Wertpapiere deutlich an und trägt spürbar zu außergewöhnlich hohen Durchschnittswerten bei. Gegenwärtig liegt der Anteil von Distressed Bonds, gemessen beispielsweise an Anleihen mit Spreads von über 1000 Basispunkten, erstmals wieder bei lediglich rund 2,5 %. Ein ähnlich niedriges Niveau wurde zuletzt in den Jahren 2005 bis 2007 beobachtet. Allerdings hat sich die Bonität im High Yield Markt im Vergleich zu damals deutlich verbessert. Die nachfolgende Grafik zeigt den Anteil der Distressed Bonds im globalen High Yield Markt.

Ein Trend, der in diesem Zusammenhang nicht unterschätzt werden sollte, ist die zunehmende Bedeutung von Privat Debt. Unternehmen mit schwächerer Bonität nutzen gezielt diese alternative Finanzierungsform, da sie dort flexiblere Konditionen als auf dem traditionellen Anleihemarkt erhalten. Die Folge: Im öffentlichen High Yield Markt sind zunehmend die besseren Schuldner vertreten, während besonders risikoreiche Emittenten den klassischen Kapitalmarkt fernbleiben. Dadurch sinkt das durchschnittliche Spread-Niveau im Index, ohne dass dies zwangsläufig auf eine geringere Attraktivität im High Yield Markt hinweisen muss, da in weiterer Folge auch die Ausfallswahrscheinlichkeit zurückgegangen ist. Diese Entwicklung steht in engem Zusammenhang mit den strukturellen Veränderungen am High Yield Markt.
Die bereits oben beschriebene Verbesserung der Kreditqualität erklärt das aktuell niedrige Niveau der durchschnittlichen Risikoprämie. Im Vergleich zur Vergangenheit hat sich das durchschnittliche Rating im Zeitverlauf um eine Ratingkategorie auf aktuell BB (12,4) erhöht, was in der Abbildung 1 zu erkennen ist. Diese strukturelle Senkung des Spread-Niveaus sollte nicht außer Acht gelassen werden. Betrachtet man die Durchschnittsspreads der jeweiligen Ratingkategorien, zeigt sich, dass das Spread-Niveau ohne diese Bonitätsverbesserung aktuell um etwa 45 Basispunkte höher liegen würde. Die nachfolgende Grafik verdeutlicht zudem den exponentiellen Anstieg des eingepreisten Risikos (gemessen am Asset Swap Spread) bei abnehmender Bonität.

Auch die durchschnittliche Restlaufzeit der im Index enthaltenen Anleihen hat einen erheblichen Einfluss auf das Spread-Niveau. Kürzere Laufzeiten oder Anleihen, bei denen eine vorzeitige Rückzahlung (Call-Option) wahrscheinlich ist, weisen tendenziell niedrigere Spreads auf, da das Kreditrisiko besser kalkulierbar ist. In Marktphasen, in denen Emittenten vermehrt kurzfristige Anleihen begeben, sinkt das durchschnittliche Spread-Niveau – ohne dass dies zwingend auf eine Verbesserung der Bonität hindeutet. Historische Vergleiche sollten daher stets die Laufzeitstruktur mitberücksichtigen, um Fehlinterpretationen vorzubeugen.
Im Durchschnitt hatten die im Index enthaltenen Anleihen früher eine etwa zwei Jahre längere Restlaufzeit. Die aktuelle Verkürzung dieser Laufzeiten beeinflusst die durchschnittliche Risikoprämie ebenfalls deutlich, da die Spreadkurven von High Yield Unternehmen meist sehr steil verlaufen. Deshalb ist es sinnvoll, Spreads immer in Relation zur Restlaufzeit zu betrachten. Würde sich die durchschnittliche Restlaufzeit des Index um zwei Jahre verlängern, wäre mit einer Ausweitung der Risikoprämie um etwa 40 bis 50 Basispunkte zu rechnen, ohne dass sich an der Bonität der jeweiligen Emittenten etwas verändert hätte.

Ebenfalls erwähnenswert ist, dass derzeit rund 50 % mehr Unternehmen im Index vertreten sind als noch vor einigen Jahren. Diese erhöhte Streuung führt tendenziell zu einen Rückgang der Risikoprämie, da das Risiko von Klumpeneffekten sinkt. Der Einfluss einzelner Unternehmen auf den Index wird dadurch deutlich reduziert, was wiederum zu einer realistischeren Abbildung des tatsächlichen Marktrisikos beiträgt.
Fazit und Ausblick
Die Analyse der Risikoprämien von High Yield Anleihen zeigt, dass das absolute Spread-Niveau allein nur begrenzte Aussagekraft besitzt. Veränderungen in der Indexstruktur, die Entwicklung der durchschnittlichen Kreditqualität, der Einfluss von Distressed Bonds, die Restlaufzeitstruktur sowie die zunehmende Bedeutung von Privat Debt verfälschen den Vergleich mit historischen Daten. Für eine fundierte Bewertung ist daher eine ganzheitliche Betrachtung all dieser Faktoren notwendig. Zukünftige Analysen und Anlageentscheidungen sollten diese strukturellen Veränderungen berücksichtigen, um das tatsächliche Risiko und Ertragspotenzial von High Yield Anleihen realistisch einschätzen zu können.
Risikohinweis
Die Security BLOGS stellen lediglich die persönliche Meinung des Verfassers im Erstellungszeitpunkt und daher nicht die Meinung des Medieninhabers dar. Eine Haftung für diese Aussagen kann vom Medieninhaber ausdrücklich nicht übernommen werden.
Weitere InformationenWeitere Artikel des Autoren
Sicherheit
faktenbasiert.

