02. Oktober 2025
Von Back to the Office gleich direkt in den Shutdown
Wir befinden uns in einer verrückten Zeit wachsender Spannungen: Geopolitisch intensiviert sicher der Ukrainekrieg immer mehr und Aufklärungsdrohnen überfliegen plötzlich NATO Gebiet; mit der Einschwörung des Militärs scheint die USA nun die finale Phase der Demokratie einzuleiten und verabschiedet sich auch gleich in den Government-Shutdown; europäische Länder kämpfen mit ihren eigenen Wachstums- und Schuldenthemen und der Machtkampf um Technologien sowie die Führerschaft im indopazifischen Raum drängen verstärkt in den Vordergrund.
Eine wenig ermutigende Gemengelage, die der Kapitalmarkt ganz nach dem Motto „Markets climb on a wall of worry“ mit All-Time-Highs und geringen Risikoprämien feiert. Nach wie vor starke Tech-Werte treiben die Indizes auf Höchststände, gleichzeitig nehmen Volatilitäts- und Bewertungsrisiken zu. Die Zinsfrage in den USA bleibt ungelöst – ein sich sukzessive eintrübender Arbeitsmarkt wird von leicht höheren, allerdings besser als befürchteten, Inflationsdaten überschattet.
In Summe erleben wir einen Kapitalmarkt, der zwischen Euphorie und Nervosität pendelt – geprägt von geopolitischen Bruchlinien, politischem Stillstand in den USA und einer weiterhin hohen Erwartungshaltung der Investoren. Der Raum für potenzielle Enttäuschungen steigt.
Anleihenmärkte
Der Anleihemarkt zeigte im September 2025 ein widersprüchliches Bild. Einerseits setzte sich die Entspannung bei den Renditen fort, insbesondere getragen von wachsenden Erwartungen weiterer Zinssenkung der US-FED. Andererseits lasteten die politischen Risiken schwer – Anleger sind zunehmend zwischen sicherem Hafen und potenziellen Zahlungssorgen hin- und hergerissen. Der durch die Handelszölle entstehende Inflationsdruck wird durch geringere Energiekosten sowie der sich abschwächenden Dynamik im US-Arbeitsmarkt kompensiert. Diese Kombination reichte aus, um die Hoffnungen auf eine weitere geldpolitische Lockerung zu nähren. Die US-Renditen 10jähriger Staatsanleihen sind auf 4,15% p.a. und die 30jähriger auf 4,75% p.a. gesunken.
In Europa hielt die EZB die Füße still. Aufgrund der schwachen Konjunktur und der stabilen Inflationsentwicklung haben sich hierzulande die Renditen der Anleihen nicht wesentlich verändert. In diesem Kontext bildet Frankreich eine unrühmliche Ausnahme. Die Schuldenquote des Landes ist mit rd. 115% zur Wirtschaftsleistung bereits sehr hoch, die Bevölkerung und Gewerkschaften widersetzen sich jeglicher Einschränkungen der Staatsleistungen und auf der politischen Seite ist nun die 5. Regierung in zwei Jahren tätig. Die Ratingagentur Fitch nahm diese verfahrene Situation für eine weitere Herabstufung zum Anlass, der Risikoaufschlag weitete sich beträchtlich aus und die Renditen 10jähriger französischer Staatspapiere stieg auf ein mehrjähriges Hoch von >3,5% p.a. an. Zunehmend verdichten sich die Wolken und der Duft einer Euro-Krise 2.0 liegt in der Luft.
Die Situation in den höher verzinsten Segmenten wie Unternehmensanleihen bzw. Papieren der Emerging Markets blieb indes ruhig. Während die niedrigen Risikoprämien weiterhin vom großen Risikoappetit der globalen Investmentgemeinde zeugen, hängen die geopolitische Bruchlinien und die politischen Risiken, mit den USA an der Federspitze, wie ein Damoklesschwert über dem globalen Bondmarkt.
Aktienmärkte
Saisonal sehr untypisch präsentierten sich die globalen Aktienmärkte im September 2025 – allen voran die USA, die die besten September-Renditen seit 15 Jahren verbuchten. Treiber blieben erneut die Tech-Titel, die von KI-Euphorie und weiterhin soliden Quartalszahlen profitierten. Der etablierte IT-Konzern Oracle widerspiegelt mit einem über 35%igen Tageskursanstieg ausdrucksstark, wie sehr das KI-Fieber an den Börsen grassiert und auch an den größten Konzernen nicht unbemerkt vorbeizieht. Die gegenwärtigen Investitionen sind gewaltig und so konnte der Oracle einen 300 Mrd. USD schweren Auftrag im Bereich der Cloud und der KI-Infrastruktur von OpenAI für sich verbuchen. Mit dem Jahrhundertauftrag für den IT-Konzern gehen kurioserweise nun gänzlich andere Herausforderungen, wie die des ausreichenden Eigenkapitals, der Zwischenfinanzierung bzw. der mittelfristigen Zahlungsfähigkeit des Auftraggebers einher. Die Dynamik in diesem Segment erinnert sehr an die späten 1990iger Jahre, als das Internet global an Fahrt gewonnen hat. Wie sehr sich die gewaltigen Investitionen final rechnen, werden wir erst in den kommenden Jahren erfahren.
Auch europäische Werte konnten im Sog der Wall Street zulegen, wenn auch weniger dynamisch. Zyklische Werte litten unter der schwächeren Konjunktur, während defensive Sektoren und Qualitätswerte gesucht waren. Top-Performer der ersten Jahreshälfte wie deutsche und österreichische Aktien taten sich hingegen schwer und tendierten weitestgehend seitwärts.
Auffallend stark entwickeln sich weiterhin Aktien der globalen Schwellenländer. Insbesondere in China nehmen einzelne Schwergewichte, nach mehreren Jahren der Kursenttäuschung, wieder Schwung auf. Interessant ist auch der Zeitpunkt, da westliche Medien die Entwicklungen in China alles andere als sonderlich positiv darstellen. Die Indexperformance der globalen Emerging Markets hinkt der der Industriestaaten seit über einem Jahrzehnt hinterher. Dies hat zu teils wesentlich günstigeren Bewertungen geführt – die Kombination mit dem geringeren Gleichlauf zu den westlichen Märkten macht diese Investmentkategorie zum idealen strategischen Add-on eines gut diversifizierten global ausgerichteten Aktienportfolios.
Währungen – Edelmetalle
Edelmetalle profitierten von dem Gewirr an globalen Unsicherheiten. Als ultimativer sicherer Hafen verzeichnete Gold weiterhin kräftige Zuflüsse. Nach wie vor treten Notenbanken der Schwellenländer massiv auf der Käuferseite auf. Ultimativ konnte nun auch der Silberpreis – das Gold des armen Mannes – aufholen und kratzt nun wieder an der Marke des historischen Hochs des Jahres 1980. Damals trieben die Hunt-Brüder den Preis auf Höchststände. Seither, immerhin über 45 Jahre, „konsolidiert“ der Silberpreis, der lediglich im Frühjahr 2011 sehr nahe an den damaligen Höchststand von 48,7 USD pro Unze herankam. 14 Jahre danach und mit einem Septemberhoch von knapp 48,- USD pro Unze startet das Edelmetall einen weiteren Versuch. Gestützt von der Dollarschwäche, niedrigen/sinkenden Realzinsen, den zahlreichen geopolitischen Spannungen und dem US-Systemumbau mit völlig offen Konsequenzen für die globalen Kapitalmärkte ist ein anhaltender Kapitalfluss in Edelmetalle als „Currencies of last resort“ durchaus realistisch.
Ausblick
Während die Aktien feiern, stapeln Anleger heimlich Goldbarren im Keller. Edelmetalle glänzen nicht aus Liebe, sondern aus Misstrauen – ein klarer Hinweis, dass die Party auf wackligen Beinen steht. Mit einem länger anhaltenden Shut-Down in den USA ist allerdings niemandem geholfen und die positive Kursperformance während/nach den letzten Stillständen hat gezeigt, dass auch eine Portion an politischer Show mitschwingt – so ernst dieses Abstellen in den öffentlichen Bereichen für die Betroffenen auch sein mag. Die US-Administration bleibt indes unberechenbar. Störmomente wie im April sind jederzeit möglich, auch in den letzten Monaten des Jahres, die aus saisonaler Sicht zu den besseren des Börsenjahres zählen. Während die europäische Konjunktur vor sich dahin dümpelt, schwächt sich die US-Konjunktur immer stärker ab. Ein rezessives Szenario wäre zumindest kurzfristig für festverzinsliche Anlagen höchster Bonität vorteilhaft, für die Aktienseite allerdings brandgefährlich. Mit der Neubesetzung des Gremiums in der US-Notenbank ist eine lockere Geldpolitik zu erwarten. Für eine Umsetzung in diese Richtung bleibt auch weiterhin die Entwicklung der Inflation mitentscheidend. Trotz vieler Herausforderungen herrscht an den Kapitalmärkten weitestgehend Selbstzufriedenheit. Eine trügerische Ruhe, die nicht mit nachhaltiger Stabilität zu verwechseln ist. Besonnenheit, Diversifikation, Liquidität und Qualität sind Mittel, um auch in stürmischen Phasen gut reüssieren zu können.
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faktenbasiert.