Blog / Nachhaltigkeit

12. September 2024

Wo fängt Nachhaltigkeit an und wo hört sie auf?

Diese Frage ist eine persönliche Angelegenheit und die Antwort darauf gestaltet sich sehr komplex. Das Feld des ökologischen und sozialen Handelns ist vielfältig und wirkt in allen unseren Lebensbereichen. In manchen Branchen wie der Lebensmittelindustrie oder dem Textilsektor, lässt sich das Thema leichter festmachen als in anderen. Eines eint sie jedoch alle. Wir als Konsumenten verlassen uns sehr gerne auf Zertifikate und Siegel.

Die Einhaltung eines gewissen Qualitätsstandards wird dabei von einer unabhängigen Prüfinstanz attestiert und regelmäßig evaluiert. In der Fondsindustrie verhält es sich ähnlich. Investmentfonds werden mit Gütesiegeln ausgezeichnet, wenn Ausschlusskriterien in Hinblick auf kontroverse Geschäftspraktiken und gegebenenfalls Positivkriterien eingehalten werden. Die Ausgestaltung dieser Instanzen unterscheidet sich im Ansatz und in der Stoßrichtung, in welche das nachhaltige Mindset wirken soll. In Österreich und Deutschland dominieren 5 Gütesiegel und Richtlinien. Das österreichische Umweltzeichen (UZ49), das Siegel nach dem Forum für Nachhaltige Geldanlagen (FNG), die Richtlinie Ethische Geldanlagen der Österreichischen Bischofskonferenz und der Ordensgemeinschaften Österreich (Finanko) sowie die Vorgaben für die ethisch nachhaltige Geldanlage der evangelischen Kirche Deutschland (EKD) und die internationalen Normen des UN Global Compact (UNGC). Alle 5 Richtlinien bzw. Normen beinhalten die Einschränkung des investierbaren Universums nach negativ behafteten Geschäftstätigkeiten und Praktiken.

Um das Ausmaß und die Schwere der Ausschlüsse der einzelnen Instanzen greifbar zu machen, bietet sich ein Blick auf den globalen Aktienmarkt an. Als Referenzwert dient in der folgenden Ausführung ein Korb bestehend aus ca. 1.430 hoch kapitalisierten Aktien der entwickelten Länder. Die Grafik lässt erkennen mit welcher Ausschlussintensität ein Investor auf das Universum zu rechnen hat. Die Spannbreite verläuft sich von rund 1/3 bis fast zur Hälfte des gesamten Basisuniversums, welches aufgrund von Verstößen (not complaint) für eine Investition nicht zur Verfügung stehen.

Quelle: Security KAG, ISS ESG, MSCI

Dieser Umstand führt wiederum zu Verwerfungen innerhalb der Portfoliostruktur in Bezug auf die Sektoren-/Industrien- und Währungsverteilungen. Nach Abzug der negativ behafteten Unternehmen bietet sich dem Investor ein sehr differenziertes Bild. Demnach sind einem Geldgeber beinahe in jeder Brache je nach Gütesiegel nur mehr eine eingeschränkte Auswahl an Aktien zugänglich.

Quelle: Security KAG, ISS ESG, MSCI *Aufgrund eines Gewichtungsanteil von unter 1% wurde auf die Darstellung der Währungen DKK, SEK, HKD, SGD, NOK, ILS und NZD verzichtet.

Daraus lassen sich (bei einer geradlinigen Umsetzung der Ausschlusskriterien) auch Gewichtungsrisiken und Performanceabweichungen in positiver, als auch in negativer Ausprägung zur Referenzgröße erklären. Die Nachhaltigkeit als 4. Ebene des magischen (Drei)ecks – Ertrag, Risiko und Sicherheit – führt zu veränderten Rahmenbedingungen, die es sorgfältig und behutsam zu managen gilt. Einem Investor mit nachhaltigen Mindset sollte dieser Umstand auf jeden Fall bewusst sein. Im professionellen Portfoliomanagement existieren jedoch diverse Möglichkeiten, um diese aktive Komponente kontrollierbarer zu machen und das Abweichungsrisiko zum Gesamtmarkt für den Anleger zu reduzieren.

Philipp Ebner
Aktienfondsmanagement
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