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29. Oktober 2025
Marathon … nicht in Griechenland!
In diesem Blog geht es nicht um den Ort Marathon in Griechenland, sondern um Marathon County in Wisconsin, das das Zentrum des amerikanischen Ginseng- Anbaus bildet. Ginseng- Anbau in den USA? – Ja, tatsächlich!
Dazu muss man wissen, dass Asiatischer Ginseng (Panax ginseng) in seiner Wildform ursprünglich hauptsächlich in Gebirgs- und Waldregionen im nördlichen Korea und nordöstlichen China vorkommt, es aber auch den amerikanischen Ginseng (Panax quinquefolius) in den Misch- und Laubwäldern von Wisconsin und Teilen Kanadas gibt.
Seit über 2000 Jahren nimmt der Asiatische Ginseng eine zentrale Rolle in der Pflanzenheilkunde Koreas und Chinas ein und gilt dort seit jeher als Sinnbild für Gesundheit und langes Leben. Die Ginsengwurzel war in früherer Zeit nur Königen, Kaisern, hohen Adeligen und ihren Gefolgsleuten vorbehalten und wurde somit als wertvoller als Gold angesehen.
Damit einher gingen aber auch eine rasche Dezimierung der Wildbestände in Asien und die ersten Versuche der Kultivierung durch Verpflanzung von Wildginseng. Erst um 1100 gelangen in Korea die ersten Versuche der Vermehrung aus gewonnenen Samen. Im 17. Jahrhundert wurde die Ginsengwurzel von holländischen Seeleuten auch in Europa populär gemacht. Im 18. Jahrhundert entdeckten schließlich französische Missionare die wilden Vorkommen des amerikanischen Ginsengs, der von den Siedlern New Englands gesammelt und von Anfang an auch nach Asien exportiert wurde. Kultiviert wird Ginseng in Amerika allerdings erst seit Ende des 19. Jahrhunderts.
Der Export von amerikanischem Ginseng nach Asien, v.a. nach China, ist seit jeher sehr volatil, da abhängig von den sich historisch immer wieder verändernden politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Während Exporte nach Hong Kong bereits nach dem Zweiten Weltkrieg Fahrt aufnahmen, etablierte sich der Export nach China erst im Laufe der 70er Jahre. Damals gab es in Wisconsin rund 1.500 Ginseng Bauern. Ende der 90er Jahre fand eine Marktbereinigung aufgrund der entstehenden kanadischen Konkurrenz statt, heute decken ca. 200 Bauern die internationale Nachfrage ab.
Obwohl natürlich über 90% der weltweiten Produktion aus China und Korea kommen, wird der vorwiegend in Wisconsin angebaute, amerikanische Ginseng sowohl in Asien als auch in Europa sehr geschätzt, aufgrund seines hohen Ginsenosid(Wirkstoff-)spiegels und der hohen Qualitätsstandards.
Doch so einfach ist die Sache nicht: Ginseng ist eine Diva unter den Kulturpflanzen: Er wächst sehr langsam und braucht vier bis sechs Jahre, um seine wirkungsvollen Inhaltsstoffe in der Wurzel zu entfalten. Als ursprüngliche Schattenpflanze benötigt er entsprechenden Schutz vor zu starker Sonneneinstrahlung. Ginseng wird in Plantagen kultiviert, der Anbau ist mühsam und erfolgt auch heutzutage hauptsächlich von Hand.
Daher war der Aufschwung der Ginseng- Landwirtschaft in Gebieten wie Marathon County sehr lange fast ausschließlich durch Familienbetriebe geprägt.
Ein koreanisches Sprichwort sagt, der Ginseng möchte ständig die Schritte des Bauern hören. Dies deutet auf die arbeits- und zeitintensive Pflege des wachsenden Ginsengs hin, wobei noch die starke Auslaugung des Bodens und die daraus resultierende notwendige jahrelange Sanierung eines Anbaugebiets hinzukommen. Die lange Wachstumsphase macht die Pflanzen anfällig für Schädlinge, weshalb v.a. in Asien Pestizide großzügig eingesetzt werden.
Begehrt ist wilder Ginseng, dem größere Heilkraft nachgesagt wird, dessen heutige übermäßige Ernte jedoch in Bezug auf den Artenschutz sehr problematisch ist. Als Alternative zum Wildginseng wird in den USA derzeit mit dem extensiven Anbau in Wäldern experimentiert. Heute wird Ginseng auf mehreren Kontinenten in Ländern der gemäßigten Zonen wie Japan, im Kaukasus, in Australien und Mitteleuropa angebaut, wobei die dort produzierten Mengen vernachlässigbar sind, und Betriebe dort am ehesten noch mit einem, soweit möglichen, biologischen Anbau punkten können.
Anfang der 1980er Jahre wurde mit dem Ginseng Anbau in Deutschland begonnen: In der Lüneburger Heide gelang es, echten koreanischen Ginseng zu kultivieren und in Brandenburg wird Ginseng seit Beginn der 2000er Jahre angebaut. Aber auch in der Schweiz und sogar bei uns in Österreich im Waldviertel versucht man sich daran.
it dem in den letzten Jahrzehnten allgemein gestiegenen Interesse an Pflanzenheilkunde, und im Besonderen an der asiatischen, sowie der intensivierten Forschung der Schulmedizin in diesem Bereich, hat auch die Nachfrage nach Ginseng weiter zugenommen.
Dabei ist die medizinische Wirkung von Ginseng nach wie vor nicht gänzlich erforscht bzw. nicht unumstritten: In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird die zerriebene Wurzel bei allgemeiner Schwäche, Erschöpfung und Konzentrationsmangel eingesetzt sowie zur Verbesserung der körperlichen sowie geistigen Leistungsfähigkeit.
Diese Anwendungsgebiete machen Ginseng daher auch für die Schulmedizin so interessant: Man erhofft sich Ergebnisse für die mögliche Beschleunigung von Rekonvaleszenzprozessen und damit verbundene Anti- Aging- Effekte sowie für die Alzheimerbehandlung. Bisher fehlen aber tatsächlich verlässliche Ergebnisse, die vielfach von Herstellern angeführte wissenschaftlich bewiesene Wirkung beschränkt sich auf einzelne Studien, die nur gewisse Hinweise auf die Wirksamkeit als Muntermacher und belebendes Mittel in Zeiten erhöhter Belastung geben. Die Ginsenoside haben dabei eine ähnliche Wirkung wie Koffein mit den ähnlichen Nebenwirkungen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der aktuelle Hype um Ginseng sehr differenziert, gesehen werden sollte, sowohl was die Wirkungsweise angeht als auch die Herkunft des Ausgangsprodukts, dessen Ökobilanz mitberücksichtigt werden sollte. Insofern sieht es für die Ginseng Farmer in Marathon County weiterhin gut aus, und wer weiß, vielleicht etabliert sich das Waldviertel auch noch?
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