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02. April 2024

Kinderarbeit auf dem Vormarsch?

Vor einiger Zeit hat mich wieder einmal ein Beitrag auf Ö1 sehr nachdenklich gemacht und mich veranlasst, diesmal meinen Blog darüber zu schreiben: Im Journal-Panorama vom 5.12.2023 ging es um die Lockerung der Jugendarbeitsgesetze in einigen republikanisch regierten Bundestaaten der USA. Dies wird vordergründig mit der dadurch erleichterten Möglichkeit, Geld dazu zu verdienen und das Arbeitsleben kennen zu lernen, begründet. Dahinter steht aber tatsächlich die große Nachfrage nach billigen Arbeitskräften.

In Iowa beispielsweise dürfen 15jährige seit Juli 2023 während der Schulzeit bis 21.00 und während der Ferien bis 23.00 arbeiten, 17jährige wie Erwachsene, also auch nachts. Einerseits gibt es die kleinen Unternehmen, wie Nahversorger, Eissalons oder Fast Food Restaurants, die ohne ihre günstigen jugendlichen Mitarbeiter nicht überlebensfähig wären, und die durchaus auf deren Gesundheit und Schulerfolg bedacht sind.

Andererseits gibt es die zahlreichen land- und forstwirtschaftlichen sowie chemischen Betriebe, in denen Kinder und Jugendliche, vor allem von Migranten, schon immer grundsätzlich legal gearbeitet haben, deren Familien auf diesen Zuverdienst angewiesen sind, und die aber den Jugendarbeitsschutz bereits bisher vielfach ignoriert haben und im Zuge der gesetzlichen Lockerungen jetzt teilweise ganz offiziell  so weiter machen können: Die Jugendlichen und Kinder sind oftmals bei der Feldarbeit Hitze und Kälte sowie Pestiziden voll ausgesetzt oder arbeiten mit Kreissägen und Chemikalien und auf Dächern oder bedienen Kräne (nicht im Rahmen einer Ausbildung!). Dementsprechend häufig passieren schwere Arbeitsunfälle. Aufgrund ihrer prekären finanziellen Situation gehen viele Migrantenfamilien nicht gegen die Unternehmen vor und sind oft schon froh, wenn die Arztkosten übernommen werden. In der ursprünglichen Version des neuen Gesetzes in Iowa wären Unternehmen sogar vor zivilrechtlichen Klagen ihrer jugendlichen Arbeitnehmer geschützt gewesen. Der Protest dagegen war dann aber doch zu groß.

Die Gewerkschaften sehen die gesamte Entwicklung naturgemäß sehr kritisch, vor allem weil auf diese Art und Weise das allgemeine Lohnniveau untergraben wird und sie als Teil eines umfassenden Plans zur Aushöhlung der Arbeitsgesetze angesehen wird.

Die republikanischen Befürworter argumentieren, dass kein Jugendlicher zur Arbeit gezwungen werde, die Jugendlichen ja auch bis 22.00 Sport machen dürften, sie durch das Arbeiten weniger mentale Probleme hätten und sowieso kein Kind um 20.30 ins Bett gehen würde. Das trifft zwar auf Kinder und Jugendliche zu, die nur arbeiten, um sich ihr Taschengeld aufzubessern. In einkommensschwachen Familien, insbesondere mit migrantischem Hintergrund, trägt das Einkommen der Kinder aber häufig wesentlich zum Familieneinkommen bei, weshalb diese dementsprechend so viel arbeiten, wie es gesetzlich maximal erlaubt ist bzw. auch oft illegaler Weise mehr. Dadurch bleibt der schulische Erfolg vielfach auf der Strecke, da die Kinder zu spät ins Bett kommen bzw. wenig oder keine Zeit für Lernen und Hausaufgaben haben. Lehrer berichten von Schülern, die regelmäßig im Unterricht einschlafen. Die Schulen kennen tendenziell die problematische Doppelbelastung vieler ihrer Schüler und bieten Unterstützung in Form von kostenlosen Mahlzeiten und Lernhilfen an.

Es scheint einer gewissen Logik zu entsprechen, dass Schulbildung bei diesen Kindern und Jugendlichen vernachlässigbar ist und durch gesetzliche Lockerungen der Jugendarbeitsgesetze der Arbeitskräftemangel bekämpft werden soll, anstatt die Jobs durch bessere Bezahlung attraktiver zu machen.

Kontrollen durch die Bundesbehörden bringen zu Tage, wie häufig Unternehmen quer durch alle Bundesstaaten die bundesweiten Jugendarbeitsgesetze ignorieren und Kinder und Jugendliche für gefährliche Arbeiten einsetzen. Die Zahl der Verstöße ist seit 2015 um 280% gestiegen. Im demokratisch regierten Colorado mit seit jeher großzügigen Jugendarbeitszeiten wird es jugendlichen Arbeitnehmern inzwischen immerhin erleichtert, bei Arbeitsunfällen die Unternehmen zu klagen.

Alles in allem zeigt diese Entwicklung aber, dass die amerikanische Wirtschaft, insbesondere die Landwirtschaft, nicht unwesentlich auf die (billige) Arbeitskraft von Kindern und Jugendlichen angewiesen ist, was mir bisher nicht in diesem Ausmaß bewusst war. Schließlich denkt man beim Thema Kinderarbeit meist zuerst an Entwicklungsländer, und nicht unbedingt an die USA. Unter einem republikanischen Präsidenten ist mit einer weiteren Aufweichung des Jungendarbeitsschutzes zu rechnen. Auch wenn man einigen positiven Argumenten, die auch auf österreichische Jugendliche anwendbar sind, etwas abgewinnen kann, so können meiner Meinung nach die Probleme des Arbeitsmarktes auf die jugendlichen Arbeitsnehmer nicht auf diese Art und Weise abgewälzt werden, wie dies derzeit in den USA der Fall ist. Ihre besondere Schutzwürdigkeit sollte eigentlich immer Priorität haben und gewährleistet sein.

Christina Kirisits
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