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27. November 2025
KI-Investitionsboom der US-Techkonzerne stößt laut EZB auf steigende Bewertungsrisiken
Während Nvidia von Quartal zu Quartal neue Rekordzahlen liefert und rasante Wachstumszahlen die Angst vor einer platzenden KI-Blase dämpfen, schlug die Europäische Zentralbank zuletzt warnende Töne an. Die EZB sieht die extremen hohen Bewertungen großer KI-Unternehmen als potenzielles finanzielles Stabilitätsrisiko. Ihr Argument: Die Bewertungen spiegeln zunehmend überschießende Gewinnerwartungen wider, während gleichzeitig massive Investitionen in Rechenzentren und KI-Infrastruktur „auf Vorrat“ erfolgen, deren wirtschaftliche Amortisation unklar bleibt.
Die größten Technologiekonzerne sind finanziell grundsätzlich stark aufgestellt. Doch die Investitionen in künstliche Intelligenz schwächen ihre Bilanzen und verändern die Dynamik ihrer Geschäftsmodelle.
So investierten beispielsweise Google und Amazon.com in den letzten drei Jahren massiv in KI. Sollten sich die Prognosen der Unternehmen und Analysten bewahrheiten, werden diese beiden Konzerne zwischen 2023 und 2025 in Summe über 600 Milliarden US-Dollar investiert haben. Bislang haben diese massiven Investitionen weder ihren Bilanzen noch ihren Aktienkursen Probleme verursacht. Beinahe alle großen Tech-Unternehmen starteten in den KI-Boom kommend aus der Covid-Krise mit soliden Bilanzen, geringer Verschuldung und steigenden Umsätzen. Ihre Rentabilität in den letzten Jahren – die im Wesentlichen noch nichts mit KI zu tun hat – hat die Entscheidung für weitere Investitionen erleichtert:
Die kumulierten Nettogewinne von Microsoft, Google und Amazon.com zusammen werden zwischen 2023 und 2025 voraussichtlich 750 Milliarden US-Dollar übersteigen. Jedoch machen sich die hohen KI-Investitionen in den Bilanzen dieser Unternehmen bereits bemerkbar und deuten auf eine potenziell drastischere Umstrukturierung ihrer jeweiligen Geschäftsmodelle hin.
Die liquiden Mittel und kurzfristigen Anlagen von Microsoft beliefen sich Ende des dritten Quartals 2025 auf etwa 16 % des Gesamtvermögens, verglichen mit rund 43 % im Jahr 2020. Auch die relativen Liquiditätsbestände von Alphabet und Amazon sind deutlich gesunken, während ihr Vermögen durch die Investitionen in KI-Infrastruktur stark angestiegen ist.

Die Cashflows sind ebenfalls betroffen. Alphabet und Amazon werden aufgrund der hohen Investitionen voraussichtlich in diesem Jahr einen geringeren freien Cashflow als in den Vorjahren ausweisen. Bei Microsoft muss etwas tiefer in die Bilanzen gegraben werden. Obwohl der freie Cashflow von Microsoft im Vergleich zum Vorjahreszeitraum rein formal gestiegen ist, beinhalten die in den Cashflow-Rechnungen ausgewiesenen Investitionsausgaben nicht die Ausgaben für langfristige Leasing-Verträge für Rechenzentren und IT-Ausrüstung. Werden diese Leasingbeträge als KI-Infrastruktur-Investitionen berücksichtigt, wäre der freie Cashflow von Microsoft gesunken.

Die guten Zahlen dieser Unternehmen dürften die Ausgaben vorerst decken, doch um im KI-Wettbewerb mithalten zu können, könnte letztendlich auch eine höhere Verschuldung notwendig werden. Meta hat seine Verschuldung durch die Ausgabe einer Anleihe über 30 Milliarden US-Dollar im Oktober 2025 verdoppelt. Oracle hingegen hat im September nach dem Abschluss eines Vertrags mit OpenAI von über 300 Milliarden USD eine neue Anleihe im Wert von 18 Milliarden USD emittiert.
Diese Entwicklungen – schwächere Liquidität, geringerer Cashflow und höhere Verschuldung – scheint das Geschäftsmodell von Technologieunternehmen einmal grundlegend zu verändern. Anstatt von hochskalierbarer Software oder Cloud-Computing-Anbietern, werden IT-Unternehmen aufgrund ihren hohen KI-Investitionen zu kapitalintensiven Unternehmen wie die Schwerindustrie. Diese Entwicklung wird die Sichtweise auf die Branche verändern. Milliardenbeträge werden investiert, die Investitionen werden aber erst über einen viel längeren Zeitraum Rendite abwerfen. Technologieunternehmen waren mit dem Aufbau ihrer umfangreichen Cloud-Computing-Infrastruktur schon seit Jahren kapitalintensiv, doch KI hat diese Intensität auf ein neues Niveau gehoben.
Dieser Wandel des Geschäftsmodells in der Technologiebranche geht mit einer erhöhten Unsicherheit über seine langfristigen Folgen einher – insbesondere hinsichtlich der künftigen Ertragskraft der Unternehmen – und damit, nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank, auch das Risiko überhöhter Bewertungen.
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