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20. September 2024
Der nächste Schritt in der Asset Allocation
Am Begriff „modern“ kleben erstaunlich oft Spinnweben. Was meist bleibt, sind grundlegende Erkenntnisse und Entwicklungen, die Zeiten überdauern. Harry Max Markowitz war zum Beispiel in seinen Mid-Zwanzigern, als er die Grundlagen für seine „moderne“ Portfoliotheorie schuf. Nicht mal 40 Jahre später trudelte auch schon der Wirtschaftsnobelpreis ins Haus und heute – nur gut ein Drittel Jahrhundert später, mutet seine Theorie noch überraschen frisch und gar nicht aus der Zeit gefallen an. Was unterscheidet Markowitz z.B. vom Black-Litterman-Verfahren?
Markowitz abstrahiert das gesamte Marktspektakel in einem erstaunlich einfachen Formelwerk. Er verzichtete konsequent auf Schleifen und Rüschen. Diese wurden später hinzugefügt, wie etwa von Fischer Black und Robert Litterman, die Namensgeber des oben genannten Verfahrens. Und – bei aller berechtigter Kritik – dieses einfache Formelwerk ist erstaunlich gut darin zu modellieren, was wir an den Kapitalmärkten beobachten können.
Zufall ist das keiner, die Grundidee statistische Methoden für die Modellierung von Kapitalmärkten zu verwenden, ist ein äußerst solides Fundament. Dass man es auch etwas anders machen kann als der schlaue Harry, zeigen seine vielen Nachfolger. Dabei finden sich weitere Klassiker, wie etwas das Capital Asset Pricing Modell (CAPM), das selbst wieder Basis weiterer Theorien und Entwicklungen wurden. Doch all die Nachfolgemodelle kranken und profitieren – genauso wie die Portfoliotheorie – gleichermaßen an den Folgen der Abstraktion der statistischen Modellierung.
Dabei gehen Informationen verloren. Das Talent von Markowitz war, Komplexität mit sehr einfachen Mitteln einzufangen. Zwar haben diese den Nachteil, dass die notwendigen Beschreibungsgrößen für seine Formeln (man denke an Kovarianzen) abstrakt und nur über Kalibrierung zugänglich sind und sich zudem im Zeitverlauf ändern können. Dafür erhält man aber das Ertrags- und Risikopotenzial des gesamten Kapitalmarkts in „a nutshell“. Es gibt im Wirtschaftsgeschehen und an den Kapitalmärkten aber auch kausale Zusammenhänge, auf die man sich ganz gut verlassen kann. Zum Beispiel bestehen für einen Besitzer einer Anleihe hoher Bonität sehr gute Chancen, Kuponzahlung und Tilgung zu erhalten. Sowohl Zeitpunkt als auch Höhe der Zahlung werden nicht variieren. Was ist mit diesen Informationen?
Vorab dürfen wir eines nicht aus den Augen verlieren: Wir müssen sehr sorgfältig sein. Denn schon bei geringfügig höherer Komplexität büßen vermeintlich klare Regeln ihre Vorhersagekraft ein. Wenn etwa ein Investor beim Kauf einer Aktie eines besseren Unternehmens objektiv höheres Ertragspotenzial hat, sind damit weder höhere Dividenden noch bessere Kursentwicklung garantiert. Kapitalmärkte können erstaunlich ignorant und hartnäckig sein. Der wesentliche Unterschied zwischen der Kupon- und Tilgungszahlung einerseits und der Dividende andererseits liegt auf der Hand: Kupon- und Tilgung sind vorab vertraglich vereinbart, die Dividende nicht. Wenn wir uns für die verschiedensten Assetklassen überlegen, wie sicher unser Ertrag sein wird, kommen wir schnell zum Schluss, dass wir uns nur auf wenig mit hinreichender Sicherheit verlassen können. Das erklärt auch, warum die Statistik dermaßen stark Einzug in die wissenschaftliche Kapitalmarktbeschreibung gehalten hat.
Um all die belastbaren Informationen nutzen zu können, müssten wir die Kapitalmarktwelt in kausale Zusammenhänge und in die nur statistisch fassbaren unterteilen, um ein besseres Bild zu gewinnen. Dann wären diese sinnvoll in einem Gesamtmodell zu vereinen, um daraus Nutzen für die praktische Veranlagung ziehen zu können. Hohe Komplexität und große Datenmengen wären zu bewältigen. Das klingt aussichtslos, ist es aber nicht. Ganz und gar nicht, wir befinden uns im Informationszeitalter.
Auf der konventionellen Assetseite wurde der Weg schon vor Jahren beschritten. Methoden wie Stratified Sampling sind Ausfluss der Bemühung, z.B. Sektorallokationen und Tracking Error in Einklang zu bringen. Unser Anleihen- und zum Teil auch das Aktienmanagement, um weitere Beispiele zu nennen, gehen einen Schritt weiter und binden sehr stark titelindividuelle und veränderliche Größen in die Portfolioallokation ein. Mit dem Einsatz von Derivaten lassen sich Risikoprofile konstruieren, die von der langweiligen Normalverteilung abweichen. Diese zu steuern, ist bei Berücksichtigung der beobachtbaren Marktrealität nicht ganz einfach, aber möglich. Der Vorteil: Bei gezieltem Einsatz sind Derivate nicht nur Bestandteile einer Asset Allocation Lösung, sondern stehen in direktem Konnex zu einem Basismarkt. Kausale und damit belastbare Zusammenhänge können genutzt werden, das Potenzial ist enorm.
Derzeit liegt der Fokus darauf, die methodischen Kompetenzen hochzufahren, um für verbesserte Investmentlösungen einen fundierten Managementrahmen zu sichern. Denn bei aller Euphorie gilt es nicht zu vergessen, dass wir an allererster Stelle für Zuverlässigkeit und Beständigkeit sorgen müssen. Dafür müssen wir Modellierungen finden, die verständlich und nachvollziehbar sein. Damit sind wir wieder bei Harry Markowitz, der ähnliches vor rund einem Dreivierteljahrhundert geschafft hat. Wer das besonders elegant hinbekommt, verdient dann auch das Privileg, „modern“ vor seine Theorie zu schreiben. Ehre, wem Ehre gebührt.
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